Gifhorn. Die Politikexpertin Prof. Gwendolyn Sasse stand im Gifhorner Schloss zum Ukraine-Krieg Rede und Antwort. Das sind ihre Hauptthesen.

Oft wird Prof. Gwendolyn Sasse in der ARD-Tagesschau und im ZDF interviewt, wenn es um Fragen zum Krieg in der Ukraine geht. Am Mittwoch referierte die wissenschaftliche Direktorin des Zentrums für Osteuropa- und Internationale Studien (ZOiS) in Berlin und Einstein-Professorin für Vergleichende Demokratie- und Autoritarismusforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin im Rittersaal des Gifhorner Schlosses.

Warum gibt es den Krieg in der Ukraine? Nein, „gegen die Ukraine“, wie Sasse mit Hinweis auf ihr jüngstes Buch betont. Warum findet er jetzt statt? Und wie erklärt sich der wirksame Widerstand der Ukraine? „Das sind die Hauptfragen, um die es geht“, sagte die Professorin. Und die versuchte sie im Rittersaal zu beantworten, und zwar mit vielen Rückblicken auf die Vergangenheit der beiden ehemaligen Sowjetrepubliken Russland und Ukraine, die vielen Menschen in Deutschland nicht oder nicht mehr bewusst sind.

Die erste Frage war schnell geklärt: „Es geht um die Zerstörung des Staates Ukraine und der Nation. Um nichts anderes.“ Es ist auch nicht einfach nur Putins Krieg – „das ist zu verkürzt gedacht“, so Sasse. Denn hinter ihm stehe eine Gesellschaft, die schon lange auf den Krieg gegen die Ukraine vorbereitet worden sei.

Ukraine hatte Entscheidungen in Richtung Demokratisierung getroffen

Der Bruch zwischen Ukraine und Russland sei schon in den 1990er Jahren zu suchen, nämlich als unter Boris Jelzin schon in der russischen Verfassung eine Autokratisierung des Staates angelegt wurde und gleichzeitig in der Ukraine die Entscheidungen in Richtung Demokratisierung getroffen wurden. Sasse: „Da sehe ich die Hauptachse.“

Aber der Konflikt sei dennoch sehr komplex, weil weitere Entwicklungen von außen hinzukamen: eine zunehmende Diskrepanz in der Sicherheitswahrnehmung in West und Ost sowie eine widersprüchliche Russlandpolitik der westlichen Staaten. Denn zum einen sanktionierten diese die Eroberung der Krim, bauten aber wie im Fall Deutschlands weiter an gemeinsamen Projekten wie Nordstream 2. Der Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 ist für Sasse nicht der Beginn des Krieges, sondern nur der Beginn einer dritten Phase (nach Krim-Annexion und Krieg im Donbas).

„Es ist denkbar, dass der Krieg noch lange weitergeht“

Eine Prognose für die Zukunft wagte die Professorin nicht konkret: „Es ist denkbar, dass der Krieg noch lange weitergeht, in Wellen mit verschiedenen Intensitäten.“ Das Ende ist offen, auch wenn Russland sich mit der Zeit verändere: Ein Wandel zur Demokratie sei dort aber eher nicht in Sicht, vielmehr eine Verhärtung des Systems. Aber eins sei für sie klar: „Wenn Russland den Krieg gewinnt, gibt es die Ukraine nicht mehr.“

Ist die Drohung Putins mit Atomwaffen nur ein Bluff? Das wollte ein Zuhörer bei der anschließenden Diskussion wissen. „Das kann man nicht wissen“, so die Expertin. Zumindest würden aber wohl derzeit keine wirklichen Vorbereitungen für den Einsatz dieser Waffen getroffen.

Das Buch: „Der Krieg gegen die Ukraine. Hintergründe, Ereignisse, Folgen“. München 2022, ISBN 978-3-406-79305-9.

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