Braunschweig. Autorin und Ex-Moskau-Korrespondentin Gabriele Krone-Schmalz sprach in Braunschweig. Was hat sie zu sagen?

„Russland: Terrorstaat“ und „Putin: Kriegsverbrecher“ steht auf den Plakaten der Demonstranten vor der Braunschweiger Paulikirche – und schon vor Beginn dieser Veranstaltung wird erregt diskutiert. Darf man Russland verstehen? Ja, sagt drinnen die Referentin des Abends, Gabriele Krone-Schmalz (73), erfolgreiche Autorin mehrerer Russland-Bücher, frühere Korrespondentin der ARD in Moskau.

Russland verstehen? Jene Macht, die am 24. Februar 2022 die Ukraine überfiel, ihr Kriegsziel – den schnellen Zusammenbruch Kiews – nicht erreichen konnte und seitdem – auch durch westliche Waffen-Lieferungen – in einen brutalen Stellungskrieg mit mehr als 100.000 Toten verwickelt ist? Ein Zivilisationsbruch in Europa mit verschleppten Menschen und Raketenangriffen auf zivile Ziele in der Ukraine, wie man ihn nicht mehr für möglich gehalten hatte? Russland verstehen? Jene Macht, die den Krieg jeden Tag beenden könnte, wenn sie nur die Angriffe einstellte? Das fällt ja schwer.

Gabriele Krone-Schmalz: „Der westliche Anteil an der Eskalation wird unterschlagen“

Da ist eine Begriffsdefinition von „Verstehen“ nötig, und für die sorgt Gabriele Krone-Schmalz gleich am Anfang: „Verstehen hat nichts mit Verständnis zu tun.“ Ohne Erklären und Verstehen sei sinnvolles Handeln unmöglich. Wenn sie die westliche Seite kritisiere, „dann verteidige ich nicht die russische“. Alles sei ja doch wesentlich komplizierter. Und dann kommt ihre Hauptthese: „Der westliche Anteil an der Eskalation wird unterschlagen.“

Da klatschen die Leute in der überfüllten Paulikirche, mehrere 100 sind es, Menschen, die sich um den Frieden sorgen – und die so sozialisiert sind, dass für sie auch der eigene Anteil am Frieden zählt. Nachdenken über die eigene Verantwortung.

„Russland – und wie weiter?“ heißt das Thema, veranstaltet vom Braunschweig-Spiegel mit einem Moderator Uwe Meier, der die richtigen Worte trifft: Der von Russland begonnene Krieg bestimme die öffentliche Diskussion. Große Empörung über den Überfall und die kriegerische Brutalität. Meier: „In dieser hoch emotionalisierten Atmosphäre scheint eine sachliche Diskussion schwierig zu sein.“ Wer nachdenke oder anders denke als die meisten, riskiere einen „Shitstorm“ oder Brüche sogar im Familien- und Freundeskreis.

Kritik: In seiner Anfangszeit habe Putin Vorschläge einer gemeinsamen Sicherheitsarchitektur gemacht, die vom Westen ausgeschlagen wurden

Gabriele Krone-Schmalz weiß, wovon da die Rede ist. Sie polarisiert, wie es so schön heißt. Wahrheiten aus ihrer Sicht haben’s im Moment aber auch schwer. Eine Atommacht wie Russland dürfe man nicht in die Enge treiben, sonst droht der Atomkrieg. Die Nato-Osterweiterung sei der Kardinalfehler gewesen. Und, ja, auch die osteuropäischen Nato-Mitglieder stünden heute mir ihrer unversöhnlichen Haltung dem Frieden im Weg.

Das ist nicht alles: Für den militärisch-industriellen Komplex der USA sei dieser Abnutzungskrieg samt gewünschter Schwächung Russlands auch ein gutes Geschäft. Schon seit der deutschen Ostpolitik in den 1970-er Jahren wisse man mit Egon Bahr: „Wir können die Geographie nicht ändern – gegen Russland gibt es keinen Frieden.“

Bitter: Brutaler Krieg mit Russland statt eines Eingehens auf russische Vorschläge, die ein Putin in seiner Anfangszeit noch gemacht habe: ein Wirtschaftsraum von Wladiwostok bis Lissabon, eine Sicherheitsarchitektur von ebenda bis Vancouver. War das so? Was ist schief gelaufen? Man wird fragen dürfen, sagt Gabriele Krone-Schmalz.

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