Braunschweig. Der Wachdienst hielt Atakan Koçtürk offenbar für einen Einbrecher und rief die Polizei. Steckt hinter dem Rauswurf auch ein rassistisches Motiv?

Atakan Koçtürk (22) ist Vorstandssprecher des Stadtschülerrats, der die Interessen von rund 35.000 Schülern und Schülerinnen in Braunschweig vertritt. Letzten Sonntag bereitete er im Büro des Stadtschülerrats gerade einen Antrag für den Schulausschuss am Rechner vor, als plötzlich die Tür aufging. „Im Türrahmen stand ein Mitarbeiter der Wach- und Schließgesellschaft. Er hielt mich offenbar für einen Einbrecher“, berichtet der Berufsschüler.

Der Mitarbeiter der Sicherheitsfirma habe gefragt, wer er sei und was er da mache. „Als ich ihm das erklären wollte, hat er aber nicht zugehört. Er rief gleich die Zentrale an, die wiederum die Polizei alarmierte.“ Er habe dem Mann angeboten, sich auszuweisen. „Er hätte im Internet ganz schnell recherchieren können, wer ich bin. Auch habe ich ihm meinen Schlüssel für das Gebäude gezeigt“, so Koçtürk.

Braunschweiger Stadtschülerratssprecher: So bin ich noch nie behandelt worden

Der Sicherheitsdienst aber habe darauf bestanden, dass er umgehend das Gebäude verlasse. Koçtürk ist noch immer fassungslos: „Der Mann sagte, er könne sich nicht vorstellen, dass ein Türke Sprecher des Stadtschülerrats sei. Auch sagte er: ,Typisch Ausländer, so aggressiv.’ Dabei habe ich nur versucht, ihm zu erklären, dass ich berechtigt bin, in dem Büro zu arbeiten.“ Er habe die Äußerungen des Wachdienstes als rassistisch empfunden, so Koçtürk: „So bin ich noch nie behandelt worden.“

Auch die Polizei, die kurz darauf vor Ort war, habe die Angelegenheit nicht aufgeklärt: „Mir wurde der Schlüssel für unser Büro in den Stiftsherrenhäusern abgenommen. Niemand hat mir zugehört. Ich wurde behandelt wie ein Verbrecher“, so der Vorwurf von Koçtürk.

Polizei: Die Sicherheitsfirma machte von ihrem Hausrecht Gebrauch

Auf Nachfrage bestätigt die Polizei den Einsatz am Sonntagabend. „Einsatzanlass war eine Person, die sich in den dortigen Räumen unberechtigt aufhielt. Dem Wachmann war keine diesbezügliche Genehmigung bekannt“, so Polizeisprecher Dirk Oppermann. Er erklärt: „Das Hausrecht liegt am Wochenende bei der Braunschweiger Wach- und Schließgesellschaft.“ Dieses Hausrecht sei mit Hilfe der Beamten durchgesetzt worden.

Bei der Polizeiwache in der Münzstraße wollte Atakan Koçtürk sich direkt nach dem Vorfall erkundigen, wie er weiter vorgehen solle, um die Schlüssel zurückzubekommen. Auch wollte er nach den Namen der Beamten fragen. „Ich wusste nicht, wie es weitergehen soll und war verzweifelt. Mir war auch nicht klar, ob ich jetzt mit einer Anzeige rechnen musste – ich hatte doch nur Büroarbeit für den Stadtschülerrat erledigen wollen.“ Dafür sei in der Woche meist keine Zeit.

Polizei: Stadtschülersprecher hat den Dienstbetrieb auf der Wache gestört

Zwei junge Frauen, die er kannte und die ihm auf dem Weg zur Wache begegneten, hätten ihn spontan begleitet. In der Wache aber habe er keine Antworten auf seine Fragen bekommen: „Am Ende packten mich zwei Polizisten am Arm und führten uns raus vor die Wache. Ich bekam sogar noch einen Platzverweis für die Innenstadt“, so der Schüler.

Polizeisprecher Dirk Oppermann schildert die Situation auf der Wache hingegen so: „Hier wurde ihm die rechtliche Situation mehrfach erklärt. Er zeigte sich uneinsichtig und störte mit seinen Begleiterinnen in nicht unerheblichem Maß den Dienstbetrieb. Die Personen wurden der Wache verwiesen, weigerten sich aber, das Gebäude zu verlassen.“

Alle Personen seien daraufhin aus dem Gebäude geführt worden: „Im Anschluss kam es durch eine Begleitperson des Stadtschülerratssprechers zu einer Beleidigung eines Polizeibeamten.“ Oppermann weiter: „Zusammenfassend ist aus polizeilicher Sicht hier festzustellen, dass sich alle beteiligten Beamten nach vorliegenden Schilderungen einwandfrei verhalten haben.“

Der Vorfall sorgt seitdem für reichlich Wirbel. Im Rathaus wurde dem Stadtschülersprecher nach seinen Angaben Unterstützung sowohl von der Verwaltung als auch aus der Politik zugesichert. Am Dienstag hatte Koçtürk zudem ein Gespräch mit Thomas Bodendiek, dem Leiter der Polizeiinspektion Braunschweig. „Das war eine großartige Geste und ein positives Gespräch. Herr Bodendiek hat mir zugehört, und ich habe mich als Mensch behandelt gefühlt – anders als von den Beteiligten am Sonntag“, sagt Koçtürk.

Stadtverwaltung will Rassismus-Vorwürfe lückenlos aufklären

Auf Nachfrage bei der Stadtverwaltung heißt es: Der Sprecher des Stadtschülerrats sei berechtigt gewesen, auch am Wochenende das Gebäude zu betreten: „Allerdings war das der Sicherheitsfirma hier im Vorfeld nicht mitgeteilt worden.“ Mitglieder des Stadtschülerrats sollen künftig Nachweise erhalten, mit denen sie sich ausweisen können.

Die Stadt werde den Vorfall „schnellstmöglich lückenlos aufklären und die erforderlichen Konsequenzen ziehen“, versichert ein Stadtsprecher. Die von der Stadt beauftragte Sicherheitsfirma sei aufgefordert worden, bis Freitag zu dem Vorfall Stellung zu nehmen, „insbesondere auch zu den vom Sprecher des Stadtschülerrats geschilderten, nicht tolerierbaren rassistischen Äußerungen“. Die Stadt Braunschweig verurteile jegliche Form von Diskriminierung und dulde auch bei ihren Auftragnehmern keinerlei rassistisches Verhalten und diskriminierende Äußerungen, so der Sprecher.

Auch unsere Redaktion hat die betroffene Sicherheitsfirma um eine Stellungnahme gebeten.

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