Braunschweig. Das mediterrane Bistro an der Langen Straße hat viele Stammgäste. Das liegt auch am stets gut gelaunten Wirt. Einen Spruch hat er immer auf Lager.

Sätze wie „Bei uns sind die Mehrzahl der Besucher Stammgäste“ gehen Gastronomen leicht über die Lippen. Viele Stammgäste zu haben, das hebt das Image. Das Lokal steht dann für Tradition, Menschlichkeit und eine familiäre Atmosphäre. Wer aber erleben möchte, was hinter einem solchen Satz wirklich stecken kann, der sollte bei einem Besuch des Bossanova ein Auge auf Hakan Aslan haben. Der Inhaber des mediterranen Bistros in der Braunschweiger Innenstadt kennt viele seiner Besucher so gut, dass er vor lauter Smalltalk manchmal kaum zum Arbeiten kommt.

„Oh, du schon wieder! Bis eben ging es mir noch so gut“, begrüßt Aslan einen Mann. Um aufgesetzte Höflichkeit muss sich der 48-Jährige in seinem Laden nicht bemühen. Er empfängt die Gäste mit seiner ganz persönlichen Art. Frotzelnde Bemerkungen anzubringen, gehört zu ihm wie Hemd, Schürze und der markante Oberlippenbart. Nicht erst, wenn Aslan nach seinen Kommentaren schelmisch grinst, weiß jeder, dass alles nur Spaß ist. „Sie haben so ein schönes Lächeln und so tolle weiße Zähne“, sagt eine Frau, die extra noch einmal zu ihm an den Tisch gekommen ist, um das loszuwerden.

Über Tische verfügt das Bossanova reichlich, vor allem im großzügigen Außenbereich. Der ist zwar kein Ort der Ruhe, weil Palmen und Olivenbäumchen den von der Langen Straße herüberschallenden Motorenlärm nicht dämpfen. Aber das hindert die Menschen nicht, es sich hier gemütlich zu machen. „Hat ein bisschen was von Berlin, finde ich“, sagt Aslan und lacht. Auf fast jedem Tisch klebt ein Zettel mit einer Uhrzeit – reserviert. Und das an einem gewöhnlichen Nachmittag unter der Woche.

Bossanova in Braunschweig: Catering-Service für private Partys

Die Congas sind ein Wahrzeichen des Bossanova.
Die Congas sind ein Wahrzeichen des Bossanova. © Henning Thobaben | Henning Thobaben

Aslan hat eine Menge zu erzählen, wenn er denn die Chance dazu hat. Immer wieder kommen entweder Mitarbeiter oder Gäste auf ihn zu, um kurz mit ihm zu reden. Und dann klingelt auch noch das Telefon. Ein Buffet für 25 Personen für eine private Party? Kein Problem, kriegen wir hin, antwortet der Inhaber. Der Catering-Service läuft gut.

Bei Gesellschaften ab 50 Personen ist das Grillen vor Ort optional buchbar. Und das übernimmt Aslan gerne auch mal persönlich. Lammfilet, Hähnchen- und Putenspieße, oder Köfte auf dem Rost platzieren, gar werden lassen und dabei plaudern – das ist ein Job, der ganz nach seinem Geschmack ist.

Die ihm heute eigene Gelassenheit musste sich der Bossanova-Chef allerdings jahrelang hart erarbeiten. Überhaupt gehört Hakan Aslan zu jenen Menschen, denen der berufliche Erfolg wahrlich nicht geschenkt wurde.

Betreiber Hakan Aslan: Aufgewachsen in Izmir

„Ich habe schon immer viel gearbeitet und keine Angst davor“, berichtet der Sohn eines Bus- und Lkw-Fahrers, der einst die Familie ernährte. Seine Mutter war Hausfrau. Die Familie wohnte in der Nähe von Izmir an der türkischen Ägäisküste. „Ich habe früh im Supermarkt meines Onkels gearbeitet. Oft habe ich morgens um 6 Uhr vor der Schule begonnen. Direkt nach Schulschluss habe ich weitergemacht“, erzählt Aslan.

Nach seinem Abschluss studierte Aslan in seinem Heimatland Tourismus und Hotellerie. Aber auch in dieser Zeit musste er sich Geld dazuverdienen. „Ich habe in Hotels im Service, aber auch im Warentransport gejobbt“, erinnert sich der Mann, der schließlich 1997 nach Deutschland auswanderte. Ein Teil seiner Familie lebte schon damals in Braunschweig, so etwa sein Onkel Metin Aslan. Der im April 2020 verstorbene Inhaber des Restaurants Tandure war für ihn eine Vertrauensperson. Für den damals 23-Jährigen war es keine Frage, wohin er gehen würde.

Erster Job im Braunschweiger „Tandure“ – Deutsch an der Volkshochschule

Im Tandure verrichtete Hakan Aslan auch seinen ersten Job im neuen Land. „Dort habe ich als Tellerwäscher angefangen“, erzählt er. Ob er sich als Akademiker dafür nicht überqualifiziert gefühlt habe? Nein, sagt der Auswanderer. Er sei immer noch stolz auf diese Tätigkeit. „So konnte ich in der Gastronomie alles von Grund auf lernen“, erklärt er. Parallel zu seinem beruflichen Alltag lernte er an der Volkshochschule Deutsch. Im Westlichen Ringgebiet fand er eine kleine Ein-Zimmer-Wohnung.

Nachdem er seine heutige Frau Sevda sechs Jahre später bei einer Familienfeier in der Türkei kennenlernte, sagte er ihr klipp und klar: Ein Leben in Luxus werde er ihr nicht bieten können. Davon aber ließ sich seine künftige Gattin nicht abschrecken und zog ebenfalls nach Braunschweig.

Das Clubzimmer des Lokals.
Das Clubzimmer des Lokals. © HENNING THOBABEN

Dort begann wenige Jahre später ein neues Abenteuer: Das Bossanova suchte einen Nachfolger. Hakan Aslan zögerte nicht lang. Seines Wissens ist er bereits der fünfte Inhaber des Lokals, in dem er die Spuren der Vergangenheit nie auslöschen wollte. Über der Bar hängt noch ein defekter Neon-Schriftzug mit dem Wort „Schenke“, vermutlich aus den 70er Jahren. Aslan hätte ihn schon zig Mal veräußern können. „Aber dann würde ich ja die Seele dieses Lokals verkaufen“, sagt er.

Verändert hat er trotzdem einiges, insbesondere in der Corona-Zeit. Der Inhaber nutzte die trostlosen Monate zur Renovierung. Der kleine Raucherbereich wurde in den Gastraum integriert – obwohl Hakan Aslan selbst seit Jugendzeiten Raucher ist. „Aber ich möchte jetzt aufhören“, betont er. Frische Luft atmet er in seiner Freizeit, in der er viel Zeit in die Bewirtschaftung eines Kleingartens in Salzgitter steckt. Der Anbau von Kartoffeln, Zwiebeln, Tomaten und Kräutern macht ihm Spaß, ebenso das Füttern von Hühnern und Wachteln.

Nicht vergessen hat er die ersten harten Jahre im Bossanova. Sieben-Tage-Wochen seien die Regel gewesen, so der Gastronom. Als Tochter Tuana zur Welt kam, habe sie regelmäßig im Reisebett im Personalzimmer des Lokals geschlafen. Die heute 16-Jährige wolle bald ihr Abitur machen und dann Jura studieren. Sie solle es vor allem in Sachen Bildung besser haben als er und seine Frau damals.

In diesem Sommer schloss Hakan Aslan das Bossanova erstmals für vier Wochen am Stück. Mit der Familie erkundete er den Osten der Türkei, erstmals in seinem Leben. Urlaub und Reisen, das ist für ihn schon seit längerem möglich, auch der vielen treuen Stammgäste zum Dank. Die werden weiter kommen, ohne Frage. Und genauso sicher ist, dass sie im Bossanova immer wieder mit frotzelnden Bemerkungen willkommen geheißen werden.

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