Braunschweig. Christian Jost und Kais Khader sind gegensätzliche Typen, aber mutig: In der Pandemie eröffneten sie eine zweite „Jokha Bar“. Wofür der Name steht.

„Gegensätze ziehen sich an“ lautet ein Sprichwort, das nicht selten an der Lebensrealität scheitert. Bei Christian Jost und Kais Khader jedoch geht das Versprechen auf. Der eine ist Ur-Braunschweiger, Vollblut-Gastronom und mit Leib und Seele selbständiger Unternehmer. Der andere ist Zugereister, als Wirtschaftsjurist ein routinierter Finanzjongleur und im Hauptjob in der Finanzbranche tätig. Als Duo führen beide die zwei „Jokha Bars“ in Braunschweig. Wohlgemerkt nicht als zwei Geschäftspartner, sondern als gute Freunde.

In dem Ursprungs-Lokal in der Heinrichstraße nimmt ein Großteil der Gäste auf einer Empore Platz.
In dem Ursprungs-Lokal in der Heinrichstraße nimmt ein Großteil der Gäste auf einer Empore Platz. © Henning Thobaben | Henning Thobaben

Während der Corona-Lockdowns wollte Christian Jost die Bar im Östlichen Ringgebiet unbedingt am Laufen halten. Denn nicht nur seine Existenz hängt an der beliebten Tapas-Bar in der Heinrichstraße, sondern auch die seiner Angestellten. In der Phase der Zwangsschließung, da wuppte der 41-Jährige aber fast alles allein, um das Überleben des Ladens zu sichern.

„Tapas to go“ lautete das Motto, was für Jost nichts anderes hieß als: frühmorgens einkaufen, danach die spanischen Snacks zubereiten, später Bestellungen entgegennehmen und parallel dazu die Speisen verpacken und an die Kunden rausgeben. Nicht zu vergessen: das Abkassieren, denn ein bisschen Geld sollte als Belohnung neben der Bindung der Kundschaft möglichst auch hereinkommen.

Jokha-Betreiber: Geldgeschenke immer abgelehnt

„Es war eine intensive Zeit, aber wir haben das Beste draus gemacht. Einige im Viertel haben uns Geldgeschenke angeboten, um über die Zeit hinwegzukommen. Aber das wollten wir nicht“, sagt der Mann, der in einem Haus schräg gegenüber der Bar aufgewachsen ist. Schon als Kind habe er auf das Eckhaus blicken können, wenn er aus dem Fenster geschaut habe, erzählt er. Dass er hier später einmal selbst arbeiten würde, um wiederum seiner eigenen Familie ein ordentliches Leben bieten zu können, das ahnte er freilich nicht.

Ebenso wenig konnte er wissen, dass ihm mit Kais Khader ein Freund beiseite stehen würde, der sich ebenso verantwortlich fühlte für das gemeinsame Unternehmen. Praktisch täglich, wenn er in seinem Bank-Job Feierabend hatte, fuhr Kais Khader in die „Jokha Bar“, um Christian Jost zu helfen. „Es war hart, auch für unsere Familien. Aber unsere Freundschaft hat es auf ein noch höheres Level gehoben.“

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Kennengelernt beim Fußballspielen in Braunschweig

Khader hatte lange ganz andere Lebenspläne geschmiedet. Als Sohn eines palästinensischen Vaters wuchs er in Bad Salzdetfurth auf. Zunächst folgte er dem Papa bei der beruflichen Orientierung und fing an, Humanmedizin in Marburg zu studieren. Als er merkte, dass es nicht passte, wechselte er zu Jura mit Vertiefungsrichtung Wirtschaft.

Kais Khader (links) und Christian Jost lernten sich bei einer privaten Fußballrunde kennen.
Kais Khader (links) und Christian Jost lernten sich bei einer privaten Fußballrunde kennen. © Henning Thobaben | Henning Thobaben

Er zog nach Braunschweig, das er bis dato nur mit privaten Discobesuchen im Jolly Joker verbunden hatte. Damals studierte seine heutige Frau hier und beide zogen zusammen. Khader bekam bei VW Financial Services einen Job und lernte schließlich bei einer privaten Fußballrunde Christian Jost kennen. Beide verstanden sich sofort gut. Das Thema Gastronomie allerdings war zwischen ihnen elf Jahre lang kein Thema – zumindest was den beruflichen Aspekt anging.

Das aber änderte sich Ende 2016 , als Christian Jost mit seinem damaligen Chef im Strandkorb des Vorgänger-Lokals Platz nahm. Weihnachten war nicht mehr weit, und was er in dem Gespräch hören sollte, kam einem vorgezogenen Geschenk gleich. Er wolle die Bar nicht mehr weiterführen, unterbreitete der Geschäftsführer seinem Betriebsleiter. Mit der vermeintlichen Hiobsbotschaft war jedoch ein Angebot verbunden: Er könne die Bar gerne weiterführen.

Das Projekt brauchte einen Namen: Jokha-Bar ist ein Mix aus ihren Nachnamen

Jost rief gleich seinen Freund Kais an, und der machte das, was er besonders gut beherrscht: kalkulieren. „Ich habe mir die ganzen Weihnachtstage und Neujahr die Zahlen um die Ohren gehauen. In laufende Verträge einzusteigen, ist nicht ganz ohne. Aber weil der Laden auch vorher gut lief, wussten wir, dass wir nicht die Katze im Sack kaufen würden“, erzählt der 43-Jährige. Letztlich schlugen beide ein, und ihr Projekt bekam einen Titel: „Jokha Bar“, als Mix aus ihren Nachnamen.

Am Konzept änderte sich nicht viel, denn das kam schon vorher bei den Kunden an: Den Gästen werden verschiedene spanische Tapas angeboten, von einfachen Varianten wie feuriger Chorizo, würzigem Manchego-Käse oder Oliven bis hin zu vegetarischen Spinat-Kroketten und Ziegenfrischkäse-Bällchen, diversen Meeresfrüchte-Häppchen und fleischhaltigen Spezialitäten wie Hähnchenbrustfilet-Streifen in Mandel-Lauch-Soße. Bei den Getränken liegt der Schwerpunkt auf Gin und Cocktails.

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Küchenchefin der Braunschweiger Jokha-Bar ist eine waschechte Spanierin

Die zweite Bar am Wollmarkt eröffnete mitten in der Pandemie, hat sich inzwischen aber etabliert.
Die zweite Bar am Wollmarkt eröffnete mitten in der Pandemie, hat sich inzwischen aber etabliert. © Henning Thobaben | Henning Thobaben

Küchenchefin Maria ist waschechte Spanierin, die für nichts ein Rezept benötigt und auch neue Tapas-Kreationen ohne Probleme aus dem Ärmel schüttelt. Christian Jost hat ihr oft über die Schulter geschaut. „Wenn Maria meine Tomatensoße probiert und den Daumen hebt, ist das für mich Grund, stolz zu sein“, sagt der Mann, der schon mit 15 Jahren das Geschirr in einem Café spülte, um sich seine Lieblingsturnschuhe leisten zu können.

Zwischendurch frustrierte ihn sein Job als Betriebsleiter so sehr, dass er sich an der Uni einschrieb und kurzzeitig mit einem Lehramtsstudium begann. Durch die Selbständigkeit und das Gefühl, für die eigene Sache zu arbeiten, änderte sich das, und er blieb der Branche treu.

Zurzeit ist die Belastung aber wieder groß, denn der Personalmangel in der Gastronomie macht auch der „Jokha Bar“ zu schaffen. „Oft fange ich hier früh morgens an und schließe spät abends ab“, sagt Jost. Ein Trost: Frau Katrin, die als Theaterregisseurin auch für die Dinner-Revue„The Grand Horten“ im ehemaligen Galeria-Kaufhof verantwortlich zeichnete, schaut häufig mit dem gemeinsamen Sohn vorbei.

Zwei Standorte: Heinrichstraße und Wollmarkt

Kais Khader indes muss bei der Buchführung seit geraumer Zeit einen weiteren Laden berücksichtigen: Im September 2020 eröffnete er mit Jost eine zweite „Jokha Bar“ am Wollmarkt. Das Konzept ist gleich, das Publikum anders. „Dort sind Menschen zu Gast, die danach noch weiter in der Stadt unterwegs sind oder ins Kino gehen. Hier im Östlichen Ringgebiet sind wir mehr das erweiterte Wohnzimmer, in dem einige auch im Trainingsanzug kommen“, sagt Khader.

Mitten in der Pandemie einen zweiten Laden zu eröffnen, sei sicher ein Risiko gewesen, meint er. Doch es habe sich gelohnt. Die Freundschaft zwischen ihm und seinem Kumpel hat gehalten, ist sogar enger denn je. Nur die einstige Fußballrunde ist eingeschlafen, soll aber bald wiederbelebt werden.