Braunschweig. Ein Braunschweiger beklagt, dass Wildkraut immer stärker überhand nimmt. Er erhält dafür Zustimmung, es gibt aber Kritik an dieser Sichtweise.

  • Sprießendes Unkraut in Braunschweig hat schon immer die Gemüter erhitzt. Oder ist es doch eher Wildkraut – mit einer Berechtigung auch in der Stadt?
  • Unser Leser Uwe Feder findet, Braunschweig habe das rechte Maß verloren: Die Stadt drohe zu „verkommen“.
  • Wie andere Leser das Thema diskutieren, können Sie am Ende des Textes nachlesen. Dort dokumentieren wir weitere Reaktionen dazu.

Uwe Feder geht mit Braunschweig hart ins Gericht. Es ist auch ein Stück Generalabrechnung, wenn er meint: „Üppig wucherndes Wildkraut wohin man schaut, wohin man auch immer sich in der Stadt bewegt.“ Und: „Entlang der Straßen, auf Gehwegen und Gossen wächst das Wildkraut immer stärker. An manchen Stellen haben sich bereits kleine Baumsprösslinge ihren Platz erobert. An den Stadträndern wird es dann meist noch schlimmer. Haben die Anwohner nicht eine Reinigungspflicht?“

Ziemlich erbost schreibt Feder, er kommt aus Destedt im Landkreis Wolfenbüttel: „Oder gehört das alles zu dem Programm der Stadt, Bienenwiesen vermehrt anzulegen? Die Stadt verkommt langsam, dieser Eindruck verstärkt sich immer mehr bei mir, wenn ich hierherkomme. Schade, auch wenn die Ökos das schön finden.“ Was antwortet man?

BUND: Allein aus Kostengründen kann nicht jedes Pflänzchen rausgezergelt

Den Schuh „Öko“ zieht sich Eva Goclic gern an. Sie ist Braunschweigs Vorsitzende des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschland und sagt: „Es stimmt! Die Beobachtungen freuen mich tatsächlich eher, als dass sie mich in Sorge versetzten.“ Verwunderlich sei dies aber nicht: „Ein Ratsbeschluss gibt vor, dass kein Glyphosat mehr eingesetzt wird. Allein aus Kostengründen kann nicht jedes Pflänzchen rausgezergelt werden. Und warum sollte das überhaupt notwendig sein? Was ist denn schlimm daran, wenn es irgendwo am Rande sprießt?“ Den Zustand Braunschweigs beschreibt Goclic so: „Die Begehbarkeit des Stadtgebiets ist weiterhin gewährleistet.“

Wäre Braunschweig ohne Wildkraut schöner? Hier blüht es im Östlichen Ringgebiet.
Wäre Braunschweig ohne Wildkraut schöner? Hier blüht es im Östlichen Ringgebiet. © regios24 | Stefan Lohmann

Heidemarie Mundlos gehört zu den lautesten Stimmen Braunschweigs, die dafür sorgen wollen, dass die super-adretten Schottergärten im Stadtgebiet verschwinden. Die CDU-Ratsfrau gehört seit Jahren dem Grünflächen-Ausschuss an und meint: „Am Ende geht es immer um die Frage: Ist die Sicherheit gewährleistet? Ist die Einsehbarkeit zum Beispiel an Kreuzungen gegeben?“ Ihre Erfahrung dazu sei: „Auf Hinweise reagiert unsere Grünflächen-Verwaltung. Der Rückschnitt erfolgt sehr schnell.“

Ähnliches habe sie auch auf privatem Grund erlebt. Mundlos wohnt in Wenden: „Das wird bei uns unter den Nachbarn geregelt und klappt problemlos.“ Geht es um Wildkraut, sieht sie auch die Bürgerschaft in der Pflicht: „Es bleibt jedem unbenommen, selbst etwas zu tun. Man kann aber nicht alles haben: Keine Herbizide und dennoch soll es blitzblank sein. Man muss mit Wildkräutern leben.“

Wer seiner Reinigungspflicht nicht nachkommt, muss mit einem Bußgeld rechnen

Wobei die Straßenreinigung und der Umgang mit Wildkraut in Braunschweig glasklar geregelt sind. Erst im Dezember wurde die Straßenreinigungsverordnung auf die Höhe der Zeit gebracht. Ein kompliziertes Regelwerk mit Straßenreinigungsklassen und Zuständigkeiten, das die Grundstückseigentümer in die Pflicht nimmt. In Paragraf 3 heißt es: „Wildkräuter sind unabhängig von der Reinigungsklasse zu beseitigen.“ Und in Paragraf 6: „Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 5000 Euro geahndet werden.“

Darüber wacht Alba Braunschweig, die mit der Straßenreinigung im Stadtgebiet betraut ist. Verstöße gegen die Reinigungspflicht seien keinesfalls selten, berichtet Alba-Sprecherin Sigrid Schulte: „Es finden Kontrollfahrten statt. Und natürlich prüfen wir auch Beschwerden von Bürgern.“ Was Auslöser der Beschwerden sei, wisse man nicht. Nachbarschaftsstreitigkeiten könnten eine Rolle spielen.

Alba dokumentiert dies. Im Vorjahr wurde an 76 Stellen im Stadtgebiet geprüft. „Es stellte sich heraus, dass darunter 13 grundlose Beschwerden waren. An 63 Stellen musste aber tatsächlich nachgebessert werden. Manchmal geht es um Flächen vor einzelnen Gebäuden. Mal um Straßenabschnitte, mal um ganze Straßen.“

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Alba: Eigentümer werden angeschrieben und es folgen Nachkontrollen

Es setze dann ein mühsamer Prozess ein, den die Sprecherin so beschreibt: „Der Ist-Zustand muss mit Fotos dokumentiert werden. Anschließend werden die Verantwortlichen angeschrieben. Handelt es sich um Wohnanlagen ohne Hausverwaltung, wird jeder einzelne Wohnungsbesitzer angeschrieben.“

Eine Frist werde gesetzt. Zumeist bleibe zwei Wochen Zeit, seinen Reinigungspflichten nachzukommen. „Anschließend findet eine Nachkontrolle statt. Ist keine Verbesserung ersichtlich, wird erneut angeschrieben und eine weitere Frist gesetzt.“ Spätestens bei diesem Schreiben, so ergaben die Alba-Nachkontrollen, werde reagiert, so Sigrid Schulte: „Im Vorjahr haben wir zwei Verstöße an die Bußgeldstelle der Stadt Braunschweig weitergegeben. Es ist also höchst selten, dass auf Beschwerden nicht reagiert wird.“

Das meinen andere Leser: „Ich wünsche mir eine gepflegte, grüne Stadt“

Dagmar Ristig aus Braunschweig schreibt: „Wer von Süden oder Südosten in diese Stadt kommt, muss sie wirklich für ,verkommen’ halten: Das Unkraut, so darf man es wohl noch nennen, entlang der Straßenbahntrasse gedeiht prächtig. Wenn sich jemand darüber freut, sollte er vielleicht lieber gegen die Schottergärten kämpfen, die nicht nur abstoßend hässlich, sondern auch lebensfeindlich sind.“ Gegen Wildwuchs entlang von Straßenbahngleisen könnten auch hilfsbereite Nachbarn nicht eingreifen, so Ristig.

„Und sind sich die Befürworter des Wildkrautwuchses auch bewusst, dass es für viele eine Aufforderung ist, ihren Müll an solchen Stellen zu entsorgen? Ich wünsche mir eine gepflegte, grüne Stadt mit Beeten, kleinen Anlagen, die interessant gestaltet sein können, und Parks, von denen wir ja einige sehr schöne haben. Dass das Grünflächenamt wahrscheinlich nicht genug Arbeitskräfte hat, ist ein anderes Problem.“

Leserin Susanne Bohr kritisiert, dass in Lehndorf das Gras bis zu 1,50 Meter hoch steht.
Leserin Susanne Bohr kritisiert, dass in Lehndorf das Gras bis zu 1,50 Meter hoch steht. © Susanne Bohr

„Grünanlagen sind für die Anwohner völlig unnutzbar – Wolfenbüttel macht es besser“

Susanne Bohr aus Braunschweig schreibt: „Die Stadt verkommt total und das ist politisch, ideologisch, ja so gewollt. Es werden Grasflächen nicht mehr gemäht, wie bei uns in Lehndorf. Das Gras steht 1,20 bis 1,50 Meter hoch. Durch die Trockenheit steigt zusätzlich jetzt die Brandgefahr. Auf Bänke braucht man sich auch nicht setzen, Sichtachsen sind verschwunden und die Grünanlagen sind für die Anwohner völlig unnutzbar. Solche Zustände sind im ganzen Stadtgebiet zu finden. Ich empfehle einen Rundgang durch Wolfenbüttel. Die Stadt macht es ganz großartig! Dort blüht es überall prachtvoll und die Anlagen werden fantastisch gepflegt.

„Viele Bereiche sehen ungepflegt aus“

Ute Kruskop-Brunken aus Braunschweig schreibt: „Danke für die beiden Artikel, die das Erscheinungsbild der Stadt kritisch betrachtet haben. Ich habe ein Bedürfnis nach gepflegten Grünflächen, denn anders als Gartenbesitzer habe ich im Alltag nur Grünanlagen und Parks für meine Freude an der Natur. Schön gestaltete Grünflächen erfreuen und inspirieren. Viele Bereiche sehen aber ungepflegt aus.“

Manche Versuche des Grünflächenamtes seien gut gemeint, aber schlecht ausgeführt, findet sie. „Das Rondell an der Gaußstraße sieht verwahrlost aus, das schrecklich eingezäunte Wildkraut bei der AOK zieht immer mehr Müll an, am Eingang zum Magniviertel vertrocknet alles. Was soll das? Wir Stadtbürger haben doch auch einen Anspruch auf Schönheit. Bienenweiden und Blühstreifen in Parks sind sinnvoll und gut. In der Stadt aber, und noch mehr in zunehmenden Zeiten der Trockenheit, sind Pflanzen wie Königskerze, Storchschnabel, Fingerhut, Fette Henne und vieles andere besser geeignet. Nachzulesen in einer Studie der Versuchsanstalt für Gartenbau in Großheeren. Die Experten in den Ämtern sollten das doch wissen.“

„Unkraut muss man aushalten können“

Gabriela Bitter aus Braunschweig schreibt: „Nicht nur im Süden, sondern auf allen Straßenbahntrassen sieht man im Moment große, teilweise schon abgestorbene und vertrocknete Pflanzen, ebenso an Baumscheiben, in den Rinnsteinen, in Pflasterritzen und in den schön blühenden Beeten des Grünflächenamtes. Diese Pflanzen streuen im Moment ihre Samen für das nächste Jahr aus! Aber nicht nur die inzwischen gehegten Wildbienen benötigen Blüten als Nahrung, sondern alle Insekten leben direkt oder indirekt von Pflanzen. Pflanzen sind der Anfang der Nahrungskette, über Insekten bis hin zu Vögeln und Säugetieren. Man kann nicht nur den Landwirten die Schuld am Insektensterben geben und gleichzeitig gepflegte Beete ohne Wildwuchs für sich fordern.“