Braunschweig. Der Laden bietet 3200 Samensorten an – allein 150 Tomatensorten. Das Samenhaus gibt’s seit mehr als 100 Jahren. Die Nachfrage ist ungebrochen.

Der Mann betritt zügig den Laden am Steinweg und eilt zielgerichtet auf die Radieschen-Samen zu. Es sind viele Tütchen, denen er im Samenhaus Knieke gegenüber steht und es dauert nicht lange, bis er einen Satz auf den Inhaber Peter Steinbach zumacht, der gerade im Gespräch steckt, und fragt: „Darf ich? Standard-Radieschen. Eine Tüte.“ Steinbach reicht ihm „Radies Raxe“ und ein lächelnder Kunde schlängelt sich zur Kasse und verschwindet dann, so schnell wie er gekommen ist, wieder.

Steinbach und seine neun Mitarbeiter stecken mitten in den geschäftigsten Monaten des Jahres. März bis Mai seien als klassische Pflanzzeit die umsatzstärksten Monate, auch der Juni zähle durch die Pflanzenschutzmittel noch dazu. Und tatsächlich herrscht schon am Morgen reges Treiben in und vor dem Geschäft.

Eigentlich, könnte man meinen, würde sich auch der Herbst mit den Blumenzwiebeln und Gehölzen stark in den Büchern niederschlagen. „Früher sind Pflanzen zu großen Teilen im Herbst gepflanzt worden.“ Dann wüchsen sie gut an und hätten schon Wurzelwerk gebildet, wenn die Frühlingssaison startet. „Der Trend ist aber zu erkennen, dass die Menschen lieber im Frühjahr pflanzen.“

Das Samenhaus Knieke bietet auch eigene, selbst abgefüllte Mischungen an

Und auch andere Trends schlagen durch, die den Chef des mehr als hundert Jahre alten Samenhauses bewegen: Der Online-Handel ist wohl der bedeutendste von ihnen. Und diesen Trend hat Steinbach nicht verschlafen. Seit 2006 hat das Samenhaus Knieke eine Homepage. Bei Freizeit- oder Gartenmessen zeigte er damals seine Saatsorten. „Da konnten wir dann zum Beispiel nur 1000 Samenarten zeigen, hatten aber 2000 im Sortiment.“

Sabine Stangenbach sortiert die Blumen vor dem Laden.
Sabine Stangenbach sortiert die Blumen vor dem Laden. © Bernward Comes

Damit sich die Kunden über die weiteren Sorten informieren konnten, stellte er sie online. Der Online-Shop kam dann vor rund zehn Jahren hinzu. Heute sind es übrigens mehr als 3200 Samenarten, die Steinbach führt, darunter beispielsweise 150 Sorten Tomaten. „Und wir verkaufen mittlerweile mehr Samen online als im Geschäft.“

Nachfrage nach Biosaaten steigt

Vor rund 20 Jahren habe er festgestellt, dass nach und nach Umsatz wegbröckelte – höchstwahrscheinlich, weil Kunden begannen, Ware über das Internet zu bestellen. Steinbach begann, online mitzumachen und merkte insbesondere in den vergangenen zwei Jahren der Corona-Pandemie, dass der Handel im Netz Fahrt aufgenommen hat. Die Menschen gingen zum einen weniger in die Geschäfte, zum anderen haben sie sich mehr um ihr Zuhause, ihren Garten oder Balkon gekümmert.

„Die Nachfrage nach Saatgut ging durch die Decke“, sagt Steinbach. Die Produzenten hätten der Nachfrage zwischenzeitlich kaum nachkommen können, da bei Saaten, die Wachstumszyklen unterliegen, nicht einfach schnell nachproduziert werden könne. „Und es scheint, dass die Nachfrage auf hohem Niveau bleibt.“

Beliebt seien übrigens zunehmend natürliche Biosaaten. „Das nimmt seit rund fünf Jahren zu.“ Einige Produkte füllen Steinbach und seine Mitarbeiter selbst ab, machen Ware, die sonst nur in großen Mengen zu haben ist, so für jeden zugänglich. Rasensaat zum Beispiel oder Blühmischungen. „Wir füllen viel selber ab“, sagt Steinbach. Auch in kleinen Mengen. Eine Goldwaage wiegt auf 0,01 Gramm genau.

Nicht alles verschickt das Samenhaus Knieke online

Online quasi ein zweites Geschäft zu führen, sei nicht ohne, sagt Steinbach. So beschäftigt er dreimal so viele Mitarbeiter wie für den Vor-Ort-Betrieb benötigt würden. Denn die Ware will sortiert, verpackt, verschickt werden. Und auch das Online-Portal will gepflegt und auf den neuesten Stand gebracht werden. Er weiß: Auch viele Kunden, die ins Geschäft kommen, schauen vorab auf der Internetseite nach.

Doch im Laden sei mehr zu haben als im Online-Shop, gibt Steinbach zu bedenken. Manches sei einfach schwierig zu verschicken. Das habe Steinbach erst lernen müssen. Mit Blumenerde zum Beispiel. Die werde nicht mehr über den Online-Shop angeboten, nachdem eine Großbestellung aus Potsdam ins Haus kam. Auch Dinge wie größere Vogelhäuser würden nach wie vor nur vor Ort verkauft.

Da ist sicher was dabei: Allein rund 150 Sorten Tomatensorten führt das Samenhaus Knieke.
Da ist sicher was dabei: Allein rund 150 Sorten Tomatensorten führt das Samenhaus Knieke. © Bernward Comes

An den Start ging das heutige Samenhaus Knieke 1919 übrigens als Zweigstelle eines Händlers aus Quedlinburg unter dem Namen „Quedlinburger Samenniederlage“. Nach dem Zweiten Weltkrieg sei das Haus dann umbenannt worden. Der Name Knieke überdauerte die Jahrzehnte, auch als Steinbach das Geschäft vor rund 30 Jahren übernahm. Er kam aus Hannover nach Braunschweig.

In der Landeshauptstadt hatte er als Einzelhandelskaufmann in der Aquaristik-Abteilung eines Gartenmarkts gearbeitet. Aber auch da habe es sich schon zu großen Teilen um den Garten gedreht. Und ohnehin sei der Garten seine große Leidenschaft, von den zahlreichen Kartoffelsorten, die er als Pflanzkartoffeln anbietet, habe er selbst schon rund 40 angebaut. „Es hilft enorm im Verkauf, wenn man die Ware kennt.“

Start der Corona-Pandemie – „Ich hatte Existenzängste“

Im April 2019 mietete Steinbach direkt neben seinem Geschäft am Steinweg ein weiteres Ladenlokal an, knapp ein Jahr vor der Pandemie. Im Frühjahr 2020 dann musste er den Laden schließen. Mitten in der umsatzstärksten Zeit. Zum Glück nur für zwölf Tage. „Ich hatte damals Existenzängste.“ Heute sieht das anders aus. Eigene Saatmischungen, der Online-Shop und die Gartenpflege, die das Samenhaus als Service anbietet, hätten über die Zeit geholfen. Und heute denkt der 60-Jährige sogar darüber nach, einen zweiten Laden zu öffnen. Sein Sohn ist vor kurzem ins Geschäft eingestiegen. Da könnte er sich gut vorstellen, in Hannover eine Zweigstelle zu eröffnen, wie in Braunschweig mitten in der Stadt, da wo die Balkone sind.

Denn auch dort sei viel Potenzial, sagt der Mann, der derzeit ebenfalls über keinen Garten, sondern „nur“ über Balkonfläche verfügt. Und für alle, die ihren eigenen Garten grüner und auch bienenfreundlicher gestalten wollen, hat er einen Tipp: Thymian und Oregano pflanzen. Die seien winterhart, in der Küche nutzbar und böten Bienen Nahrung, wenn man sie blühen lässt.

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