Braunschweig. Die Welle der Hilfsbereitschaft wird immer größer. Wir zeigen, wie sich Braunschweiger für Menschen in der Ukraine engagieren – und einfach anpacken.

Mit 50 geflüchteten Menschen aus der Ukraine ist Michaela Bostelmann am Wochenende zurück nach Deutschland gekommen. Eine berührende Fahrt, wie sie sagt, die sie kaum in Worte fassen kann. Am Donnerstagabend waren sie und zwei ihrer Kollegen vom Braunschweiger Reisebus-Unternehmen Unterwegs-die Reise GmbH gestartet. Ihr Ziel: Przemysl an der ukrainischen Grenze.

An Bord ihres Busses hatten sie jede Menge privat gesammelte Hilfsgüter und medizinische Ausrüstung. „Auf dem Rückweg haben wir im Auffanglager Korczowa Dolina in Mlyny 50 Geflüchtete mitgenommen“, erzählt Bostelmann. 45 von ihnen hätten sie nach Berlin gebracht – sie werden ihr zufolge von der Stadtmission weiterbetreut. Zwei Frauen seien von Bekannten abgeholt worden, und eine Mutter mit zwei Töchtern habe der ASB Helmstedt noch nachts nach Bielefeld gefahren.

Dieses Foto hat Michaela Bostelmann von der polnisch-ukrainischen Grenze mitgebracht.
Dieses Foto hat Michaela Bostelmann von der polnisch-ukrainischen Grenze mitgebracht. © Privat

Alle haben sich irgendwie verstanden, obwohl kein Dolmetscher dabei war

Unter den Geflüchteten seien viele Frauen mit Kindern gewesen, darunter ein zwei Monate alter Säugling. „Der älteste war ein 76-jähriger Mann. Und ein Meerschweinchen war auch dabei“, sagt Michaela Bostelmann. Was sie besonders berührt hat: Alle hätten sich irgendwie verstanden, obwohl kein Dolmetscher dabei war. Nur eine Ukrainerin habe englisch gesprochen und übersetzt. Aber das Wesentliche lasse sich auch ohne Worte ausdrücken.

Die ganze Aktion mit Unterstützung des ASB sei von der Busfirma finanziert worden. „Wir wollen uns gerne weiter für die geflüchteten Menschen engagieren“, sagt Michaela Bostelmann. „Allerdings können wir das auf Dauer finanziell nicht alleine stemmen.“

Braunschweiger berichtet von Hilfsbereitschaft und Offenheit der Polen

Ganz spontan hat sich auch Christian Valerius aus Harxbüttel auf den Weg gemacht. Er hat privat einen Hilfstransport an die ukrainische Grenze organisiert und ist am Samstag losgefahren, um eine Kollegin aus Kiew nach Deutschland zu holen. Valerius arbeitet bei Hewlett Packard, das Unternehmen hat auch Niederlassungen in der Ukraine.

Kurz vor seiner Abfahrt hatte er in der Nachbarschaft noch um Spenden gebeten. Innerhalb weniger Stunden sei sein Hof voll gewesen, berichtet er am Samstagnachmittag telefonisch von unterwegs. 1,5 Tonnen seien zusammen gekommen, darunter Babynahrung, warme Kleidung, Zahnbürsten, auch zwei Rollstühle und ein Kinderwagen. Eine Arztpraxis habe vier Kisten unter anderem mit Verbandsmaterial zur Verfügung gestellt.

Christian und Anja Valerius beim Packen am Samstagvormittag.
Christian und Anja Valerius beim Packen am Samstagvormittag. © Jörg Brokmann

An der polnisch-ukrainischen Grenze herrsche teilweise eine sehr angespannte Stimmung, so Valerius. „Es gibt Gerüchte, dass man sich auf einen Angriff vorbereitet.“ Zugleich schwärmt er von der Hilfsbereitschaft und Offenheit der polnischen Bevölkerung. Die Sammelstellen für Flüchtlinge seien gut organisiert. Die Zoll- und Polizeibeamten hätten stets freundliche Worte parat. „Jeder ist hier willkommen“, so Valerius. „Das fühlt sich richtig gut an!“

Am Sonntagabend ruft er noch einmal an: „Es hat alles geklappt! Ich habe meine Kollegin im Auto und eine ukrainische Familie (Tochter, Mutter und Oma), die ich zu Verwandten nach Hannover bringe. Wir sind auf dem Rückweg!“

„Ich hatte Superpanik bekommen, als der Krieg losging“

Sarah Holland hat ebenfalls innerhalb kurzer Zeit eine Hilfsaktion organisiert: Am Samstag nahm sie in Braunschweig Spenden für den „Hilfskonvoi für die Ukraine“ entgegen. Dabei handelt es sich um ein Hilfsprojekt, das unter anderem von den Serviceclubs Round Table und Ladies Circle unterstützt wird.

„Ich hatte Superpanik bekommen, als der Krieg losging, auch Angst“, sagt Sarah Holland. „Ich hatte das Gefühl, ich muss etwas tun.“ Und so stieß sie auf das deutschlandweite Hilfsprojekt, das es schon seit einigen Jahren gibt. So werden zum Beispiel schon lange Weihnachtspäckchen für Kinder in die Ukraine gebracht. Dementsprechend seien auch die Ansprechpartner auf ukrainischer Seite bekannt, erläutert Holland.

Sarah Holland (Zweite von Rechts) hat eine Spendenaktion ins Leben gerufen. Viele Menschen brachten am Samstag Sachspenden, die nun in die Ukraine gebracht werden.
Sarah Holland (Zweite von Rechts) hat eine Spendenaktion ins Leben gerufen. Viele Menschen brachten am Samstag Sachspenden, die nun in die Ukraine gebracht werden. © Peter Sierigk

„Jeder hat das Bedürfnis, mit anzupacken“

Kurzerhand hatte sie einen Aufruf gestartet und um Spenden gebeten: Shampoo, Duschgel, Zahnpasta und Zahnbürsten, Desinfektionsmittel, Medikamente, Feuchttücher, Windeln, Binden und Tampons, Umzugskartons, Schlafsäcke. An der Jugendherberge in der Wendenstraße nahm sie am Samstag mit einem tatkräftigen Team viele Spenden entgegen. Acht Stunden lang konnten Menschen etwas abgeben, die Jugendherberge stellte Räumlichkeiten zur Verfügung.

Die vielen Kartons sollten dann zur Sammelstelle bei der Firma Perschmann in Wenden gebracht werden, und von dort sollte es weitergehen – in Richtung polnisch-ukrainische Grenze. „Wir haben außerdem auch kleine Willkommenspakete für Familien fertig gemacht, die an diesem Wochenende in Braunschweig angekommen sind“, sagt Sarah Holland.

Sie ist überwältigt vom Zuspruch so vieler Menschen. Zwei Jungs hätten zusätzlich zu ihrer Spende noch ein Bild abgegeben. Darauf stand: We stand for the ukraine! „Diese Resonanz tut sehr gut. Das hilft, weil man dem Furchtbaren nicht so hilflos gegenüber steht. Jeder hat das Bedürfnis, mit anzupacken.“

Die ukrainischen Lkw-Fahrer genossen das Treffen mit den Auszubildenden.
Die ukrainischen Lkw-Fahrer genossen das Treffen mit den Auszubildenden. © Ausbildungszentrum Bauhandwerk

Auszubildende laden ukrainische LKW-Fahrer ein

Auch die Jugendlichen des Ausbildungszentrums Bauhandwerk an der Robert-Bosch-Straße haben nicht lange gezögert. Wie Geschäftsführer Carsten Lehmann in einer Pressemitteilung berichtet, beschlossen die angehenden Zimmerer am Freitag spontan, zu ihrem Grillen am Lehrgangsende ukrainische LKW-Fahrer einzuladen, die auf dem Nachbargrundstück ihren Treffpunkt haben.

Rund 25 Ukrainer hätten den Auszubildenden von der Situation in ihrer Heimat berichtet, vom Schicksal ihrer Familien und ihren Hoffnungen und Befürchtungen für die Zukunft, so Lehmann. Sie hätten sich sehr über die Einladung und die damit verbundene Unterstützung gefreut.

„Wir wollen den Menschen mit dieser Einladung unsere Solidarität ausdrücken. Als Jugendliche haben wir unsere Zukunft noch vor uns. Dieser Krieg macht deutlich, wie schnell diese in Frage gestellt sein kann“, sagt der Auszubildende Dwayne Ludewig.

Fitnesscenter hat Lebensmittel verteilt

Ein Team des Fitnesscenters Löwen-Fitness ist in den vergangenen Tagen an die ukrainische Grenze gefahren und hat Lebensmittel an alle Hilfesuchenden verteilt, wie das Unternehmen mitteilt. Um auch weiterhin die Ukraine unterstützen zu können, werden Spenden gesammelt: Löwen-Fitness Braunschweig, IBAN: DE93 2519 0001 0802 1627 00, BIC: VOHADE2HXXX, Hannoversche Volksbank, Stichwort: Nothilfe Ukraine.

Bewohner und Beschäftigte des Seniorenheims „Haus im Kamp“ zeigen im Schaukasten vor dem Haus ihre Solidarität mit der Ukraine.
Bewohner und Beschäftigte des Seniorenheims „Haus im Kamp“ zeigen im Schaukasten vor dem Haus ihre Solidarität mit der Ukraine. © Privat

Pflegeheim in Rüningen zeigt Flagge

Eigentlich war für den Rosenmontag ein Karnevalsfest im „Haus im Kamp“ in Rüningen geplant, aber der Ukrainekrieg hat alles über den Haufen geworfen. Wie Einrichtungsleiterin Andrea Kierski mitteilt, war niemandem nach Karneval zumute. „Dafür kam aber ganz schnell der Vorschlag, in einer gemeinsamen Aktion Solidarität für die Ukraine zu zeigen.“

Spontan hätten Bewohner und Mitarbeiter Bilder, Flaggen und Schilder in den Nationalfarben der Ukraine gebastelt. Auch der Schaukasten vor dem Haus wurde entsprechend dekoriert. „Es war eine andere Art von Feier, aber zum jetzigen Zeitpunkt genau das Richtige“ sagt dazu Heimbewohner Peter Gunsch.

Wie Sie mit Spenden, Unterkünften und anderen Hilfen etwas für die Menschen in der Ukraine tun können, erfahren Sie hier.

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