Braunschweig. Im Oktober 2018 starb ein Mann im Westlichen Ringgebiet. Der Polizist, der geschossen hat, hat sich laut Staatsanwaltschaft nicht strafbar gemacht.

Bei einem nächtlichen Polizeieinsatz war Ende Oktober 2018 ein Mann ums Leben gekommen. Der 39-Jährige soll mit einer Schreckschusswaffe auf die Polizeistreife losgegangen sein, die wegen einer Ruhestörung ins Westliche Ringgebiet gerufen worden war. Daraufhin schoss die Polizei. Der Mann wurde tödlich getroffen.

Wie die Staatsanwaltschaft am Mittwoch mitteilt, liegt keine Strafbarkeit des Beamten vor.Nach Auswertung der Zeugenaussagen habe der 39-Jährige den eingesetzten Beamten mit ausgestreckter Waffe gegenübergestanden und auf diese gezielt. „Er hat darüber hinaus den Schlitten der Waffe wie zum Durchladen zurückgezogen und gegenüber den Beamten sinngemäß geäußert, er werde sie ,fertig machen’“, heißt es in der Pressemitteilung. „Für den Beamten ist demnach der Eindruck entstanden, der später Angeschossene werde unverzüglich einen oder mehrere Schüsse in seine Richtung abgeben.“

Da es sich um eine ungeladene Schreckschusswaffe handelte, habe zwar keine unmittelbare Gefahr für Leib oder Leben des Beamten bestanden. Doch dies sei für die Polizisten nicht erkennbar gewesen. Wegen der Beschaffenheit der Waffe habe keine echte Notwehrlage im Sinne des Strafgesetzbuches vorgelegen, allerdings habe der Beamte eine solche wegen der Gesamtumstände angenommen. „In derartigen Irrtumsfällen über das Vorliegen einer Notwehrlage lässt dieser Irrtum nach den hierzu vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen die Vorsatzschuld entfallen“, so die Staatsanwaltschaft.

Auch eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung komme nach dem Ermittlungsergebnis nicht in Betracht. Der Beamte habe nicht erkennen können, dass der später Angeschossene lediglich eine ungeladene Schreckschusswaffe in der Hand hielt, denn diese habe einer echten Waffe täuschend ähnlich gesehen. „Im Hinblick auf die akute Angriffssituation durch den Geschädigten konnte es dem Beamten auch nicht zugemutet werden, sich direkt in die Gefahrensituation zu begeben, um die Waffe möglicherweise aus der Nähe weiter untersuchen zu können.“

Der Beamte habe auch die Grenzen des ihm nach seiner Auffassung in dieser Situation zustehenden Notwehrrechts nicht überschritten. Nach dem allgemeinen notwehrrechtlichen Grundsatz sei der Verteidiger berechtigt, dasjenige Abwehrmittel zu wählen, das eine sofortige und endgültige Beseitigung der Gefahr gewährleiste. „Unter mehreren Abwehrmöglichkeiten ist er auf die für den Angreifer weniger einschneidende Abwehrmöglichkeit nur dann verwiesen, wenn ihm genug Zeit zur Auswahl sowie zur Abschätzung der Gefährlichkeit zur Verfügung steht und die für den Angreifer weniger gefährliche Abwehr geeignet ist, die Gefahr zweifelsfrei und sofort auszuräumen“, so die Staatsanwaltschaft. „Ein nicht bloß geringes Risiko, dass das mildere Mittel fehlschlägt und dann keine Gelegenheit mehr für den Einsatz des stärkeren bleibt, braucht der Verteidiger zur Schonung des rechtswidrig Angreifenden nicht einzugehen.“

Zwar könne der lebensgefährliche Einsatz einer Schusswaffe nur das letzte Mittel der Verteidigung sein. Allerdings seien vorliegend mildere Mittel zur Abwendung der Gefahr als der Gebrauch der Schusswaffe nicht ersichtlich gewesen. Der Beamte habe den Mann zunächst darauf hingewiesen, dass er Polizeibeamte vor sich habe und ihn zudem mehrfach lautstark aufgefordert, die Waffe wegzulegen. Erst dann habe er mehrere Schüsse abgegeben, wobei der später Angeschossene auch nach den ersten Schüssen des Beamten seine Waffe nicht sinken ließ. „Dabei ist davon auszugehen, dass die abgegebenen Schüsse nicht dazu dienen sollten, den Geschädigten zu töten, sondern nur dazu, ihn kampfunfähig zu machen.“

Nach den Bekundungen einer Beamtin werde davon ausgegangen, dass erst der letzte Schuss den Angeschossenen getroffen und zu den todesursächlichen Verletzungen geführt habe. Dies ergebe sich auch aus den rechtsmedizinischen Feststellungen, wonach die erlittenen Verletzungen derart schwer waren, dass von einem unmittelbaren Kreislaufversagen auszugehen ist.

Das Ermittlungsverfahren ist Diekmann zufolge eingestellt worden. Angehörige des Erschossenen haben Beschwerde eingelegt. Die Akten befinden sich derzeit bei der Generalstaatsanwaltschaft Braunschweig zur Entscheidung über die Beschwerde.

Rückblick: Am 28. Oktober 2018 war die Polizei gegen 4.30 Uhr in die Gabelsberger Straße gerufen worden : Eine Anruferin hatte gemeldet, dass zwei Personen im Hausflur ihres Mehrfamilienhauses herumgrölen und gegen eine Tür hämmern würden. Als die Polizei – eine Beamtin und ein Beamter, beide in Zivil – eintrafen, stürmten zwei Personen aus dem besagten Haus und flüchteten. In dem Moment soll aus dem Nachbarhaus ein Mann mit einer Schusswaffe gekommen und auf die Polizisten zugelaufen sein. Diese sollen ihn aufgefordert haben, die Waffe wegzulegen – erst später stellte sich heraus, dass es sich um eine Schreckschusspistole gehandelt hatte. Laut Polizeibericht ist der Mann dennoch weiter auf die Polizisten zugekommen. Vier Schüsse fielen daraufhin, von ihnen fand man später die Patronenhülsen. Ein Schuss traf den Mann tödlich in die Brust. Das ergab die Obduktion. Jegliche Hilfeleistung vor Ort kam zu spät.