Osterode. Ende einer Ära: neuer Betreiber übernimmt Buslinien, die Zeit der Notfahrpläne soll damit enden. Das ist zum Neustart im Harz bekannt.

Sie sind alte Bekannte im Südharz: Ob Schüler, Pendler, Einwohner oder Touristen – wer mit dem Bus fährt, kennt sie: die Firma Hahne und ihre Fahrer. Seit Jahrzehnten sind die Busse des Unternehmens unterwegs, um Fahrgäste zu befördern. Doch diese Ära endet. Ab dem 1. August dieses Jahres übernimmt die Verkehrsgesellschaft Südniedersachsen.

Endet mit dem Betreiberwechsel der Notfahrplan im ÖPNV im Südharz?

Diese hat im Rahmen der europaweiten Ausschreibung von VSN-Regionalbuslinien durch den Zweckverband Verkehrsverbund Süd-Niedersachsen (ZVSN) zwei neue Zuschläge erhalten. Dies betrifft das Teilnetz 22 (Bad Lauterberg - Bad Sachsa - Walkenried – Braunlage), das bislang von Hahne Reisen bedient wird, wie auch das Teilnetz 21 (Osterode - Herzberg - Bad Lauterberg - St. Andreasberg), das bislang das Unternehmen RBB betreut. Was aber bedeutet der Anbieterwechsel? Ändert sich etwas, beispielsweise bei den Fahrplänen? Das erklärt der Zweckverband Verkehrsverbund Süd-Niedersachsen.

Blick auf einen Fahrplan der Buslinie 472 des ZVSN in Wieda. 
Blick auf einen Fahrplan der Buslinie 472 des ZVSN in Wieda.  © FMN | Thorsten Berthold

Gerade im Südharz wird man den Wechsel mit gewissen Argusaugen begutachten, denn seit dem Sommer 2023 befindet sich die Region bereits aufgrund von Fahrermangel im Notfahrplan. Ein Zustand, der sich zum Besseren wenden soll, wie der Verband auf Nachfrage erklärt. Die Fahrpläne orientieren sich überwiegend am bestehenden Angebot, wobei nicht das Angebot des aktuell geltenden Notfahrplans gemeint ist, sondern der Soll-Zustand, wie bis zum Sommer 2023. „So werden die Schülerinnen und Schüler sowie auch die Hatix nutzenden Urlaubsgäste wieder mit einem umfangreichen Angebot versorgt“, verspricht Ute Reuter-Tonn, Sprecherin des ZVSN.

Neues Busdepot kann Anfahrtszeiten verkürzen

Für den neuen Betreiber der beiden Linien, die Verkehrsgesellschaft Südniedersachsen, ist das kein einfaches Unterfangen. Der Sitz des Unternehmens, das ein Bündnis der Betriebe „Weihrauch Uhlendorff GmbH‘“ (Northeim) und der „Pülm Reisen GmbH“ (Seesen), ist, ist in Northeim. Die Firma hat ihr Depot in Wieda, die ersten Busse starten von dort um 5 Uhr morgens aus. Ob auch die Verkehrsgesellschaft, um Zeit zu sparen, ein weiteres Depot im Süden einrichtet, kann der ZVSN nicht beantworten.

Ein Bus ist in Wieda unterwegs auf dem Weg nach Bad Sachsa. Die Linie 472 ist aufgrund von Fahrermangel aktuell im Notbetrieb.
Ein Bus ist in Wieda unterwegs auf dem Weg nach Bad Sachsa. Die Linie 472 ist aufgrund von Fahrermangel aktuell im Notbetrieb. © FMN | Thorsten Berthold

Dennoch bleiben Fragen offen, ob zusätzliche Leerkilometer für die Busse, also Fahrten ohne Beförderung, durch die neue Ausschreibung entstehen. „Ausgeschrieben waren die Nutzwagenkilometer, auf die sich auch die Angebote der Bietenden bezogen. Diese beinhalten die Anzahl der im Linienverkehr zurückgelegten Produktivkilometer, hinzu kommen dann auch die Leerkilometer (Einsatzfahrten etc.), die die Verkehrsleistung des Unternehmens beschreiben“, erklärt Ute Reuter-Tonn.

Rechnung des Verkehrsexperten aus Walkenried: 30.000 bis 60.000 Leerkilometer drohen

Der Südharzer Verkehrsexperte Michael Reinboth hatte errechnet, dass bei einem neuen Betriebshof in Herzberg zwischen 30.000 und 40.000 Leerkilometer zusammenkämen, beim Standort in Osterode gar 60.000. All dies müsste dann im Angebot, das laut Ausschreibungsergebnis günstiger war als das der Firma Hahne, enthalten sein.

Reinboth wie auch andere Personen aus dem Südharz sehen aber noch ein weiteres Problem - das der Zeit. Denn um die beiden neuen Linien bedienen zu können, braucht der neue Betreiber Busse wie Personal - und beides muss bis zum 1. August zur Verfügung stehen. Betrachtet man die Personalprobleme, die ab dem Sommer 2023 dafür sorgten, dass bis heute ein Notfahrplan im Busbetrieb im Südharz gilt, ist das ein ambitioniertes Vorhaben. „Bei der aktuellen Beschaffungs- und Arbeitsmarktlage ist das mehr als schwierig“, führt Michael Reinboth aus.

Verkürzte Laufzeiten für die Verträge: So begründet der ZVSN die Ausschreibung

Das Thema Zeit fällt aber auch in einem anderen Bereich auf: der Länge der Vergabe der Netze, die unterschiedlich erfolgte. Seitens des ZVSN erklärt man dies wie folgt: „Das europaweite Vergabeverfahren für Verkehrsleistungen ist sehr aufwändig. Daher strebt der Zweckverband Verkehrsverbund Süd-Niedersachsen an, die Ausschreibung der einzelnen Teilnetze so zu bündeln, dass zukünftig mehrere benachbarte Teilnetze gleichzeitig vergeben werden können“, sagt Ute Reuter-Tonn.

Aus diesem Grund seien die Laufzeiten von jetzt ausgeschriebenen Teilnetzen an die Restlaufzeiten von anderen, benachbarten Teilnetzen angepasst. Im Harz wurden konkret die Teilnetze 12 (Katlenburg-Lindau), 21 (Herzberg) und 22 (Bad Sachsa) nur für fünf Jahre ausgeschrieben, um diese mit der Restlaufzeit des laufenden Verkehrsvertrags im Teilnetz 11 (Osterode) zu synchronisieren. Für das Jahr 2029 sei aber auch hier geplant, die Leistungen dann zusammen branchenüblich für zehn Jahre neu auszuschreiben.

Die Beispiele, bei denen sich der billigste Anbieter verhoben hat und dann mit Notplänen um die Ecke kommt, sind inzwischen Legion.
Michael Reinboth - Verkehrsexperte

Doch auch hier bleibt die Frage der Wirtschaftlichkeit. Im Südharz hat man dieses Problem auch bereits offen angesprochen. „Ich habe dem ZVSN prophezeit, dass wir auf fünf Jahre permanenten Notbetriebs zusteuern und er das durch seine Vergabe hervorgerufen hat. Siehe im Landkreis Holzminden, siehe im Bahnverkehr, Heidekreis und und und... Die Beispiele, bei denen sich der billigste Anbieter verhoben hat und dann mit Notplänen um die Ecke kommt, sind inzwischen Legion“, betont Michael Reinboth.

Kurz, knapp, krass informiert: HK Kompakt, der Newsletter vom Harz Kurier, fasst die wichtigen News aus Osterode und dem Südharz zusammen: Hier kostenlos für den täglichen Newsletter anmelden!