Wolfsburg. 20 Jahre nach der Markteinführung preist VW den Phaeton – obwohl er vom Markt genommen und der Nachfolger nicht in Serie gebaut wurde.

Ein Volkswagen, der ausdrücklich nicht fürs Volk, also für Normalverdiener, gebaut wurde. Geht so etwas? Es ging, weil ein Mann es wollte. Ohne Ferdinand Piëch hätte es den Luxus-VW Phaeton nie gegeben. Aber es gab ihn. Vor 20 Jahren brachten die Wolfsburger ihn auf den Markt und adressierten damit die Botschaft an alle Mitbewerber: Wir können auch Oberklasse, wenn wir wollen. Bezeichnenderweise starb das Modell, dessen Nachfolger bereits designt war, kurze Zeit, nachdem Piechs Stern im Frühjahr 2015 in Folge interner Machtkämpfe sank.

„Ein Auto für Kenner, Individualisten und Genießer“

Zunächst hatte der Enkel von Ferdinand Porsche auf Zukäufe gesetzt, um das Modellspektrum des Konzerns deutlich nach oben zu erweitern. Bentley und Bugatti wurden auf Geheiß des damaligen Vorstandsvorsitzenden Piech gekauft. Mit der inzwischen von Audi geführten Sportwagenmarke Lamborghini kam eine weitere funkelnde Konzerntochter aus der Abteilung Superteuer hinzu. Da Porsche und Audi bereits im Premiumsegment beheimatet waren, gab es eigentlich überhaupt keinen sachlichen Grund, einen Oberklasse-VW zu konstruieren. Bei VW sieht man das auch heute noch anders. „Er war ein Auto für Kenner, Individualisten und Genießer: Vor 20 Jahren brachte Volkswagen den Phaeton auf den Markt. Die Oberklasse-Limousine faszinierte ab 2002 mit souverän-ruhigem Charakter, exzellentem Komfort, Hightech-Features und beeindruckender Fertigungsqualität. Mit dem Phaeton wagte sich Volkswagen erstmals in die automobile Luxusklasse und bewies auf Anhieb Premium-Kompetenz: Der Phaeton strahlte auf die ganze Marke ab und diente als Wegbereiter für weitere Premium-Produkte wie zum Beispiel Touareg und Arteon“, schwärmt die Volumenmarke in einer aktuellen Pressemitteilung, die an die Markteinführung der Limousine vor 20 Jahren erinnert.

Der Nachfolger stand schon in den Startlöchern

Dem edelsten Produkt des Hauses VW wurde mit der Gläsernen Manufaktur in Dresden sogar ein architektonisches Denkmal gesetzt. Handarbeit statt Massenfertigung lautete das Motto. Wirtschaftlich begründet wurde die Phaeton-Produktion aber auch mit dem Hinweis, dass bei teuren Modellen Technologien entwickelt und angeboten werden könnten, die später auch in wesentlich weniger exklusiven Autos zum Einsatz kommen könnten. Bei VW nennt man das Demokratisierung des technologischen Fortschritts. Die Absatzzahlen der Limousine waren indes nie befriedigend. Nur im chinesischen Markt erfreute sich der Phaeton einer gewissen Beliebtheit. Das Ende kam 2016. VW schreibt dazu rückblickend: „Der Markenvorstand entschied, die Limousine zugunsten einer konsequenten Neuausrichtung auf Elektromobilität einzustellen – dabei stand der Nachfolger mit dem Projektnamen Phaeton D2 schon in den Startlöchern.“ Wie der eventuell ausgesehen hätte, kommunizierte der Autobauer jetzt.

Die Elektromobilität kam dazwischen

Jozef Kabaň, Leiter Volkswagen Design, schaut heute respektvoll auf den Phaeton D2, der nie in Serie gefertigt wurde: „Das Auto wirkt immer noch sehr attraktiv, hat schöne Proportionen und eine fühlbare Wertigkeit und Qualität, die beeindruckt.“ Zusammen mit seinen Kollegen Marco Pavone, Leiter Exterieur Design, und Tomasz Bachorski, Leiter Interieur Design, gestaltet Kabaň derzeit das Design der künftigen Volkswagen-Modelle. „Attribute wie Qualität und Wertigkeit, die den Phaeton von Beginn an prägten und seinen Premium-Anspruch untermauerten, spielen auch heute noch bei Volkswagen eine wichtige Rolle“, betont Volkswagen. Dem fahrbaren Einzelstück des Phaeton D2 war eine interne Auswahl von vier verschiedenen Konzepten vorausgegangen: Den Zuschlag erhielt der Entwurf von Pavone und Bachorski, der mit seiner betont sportlich-flachen Linienführung und seinem hochwertigen Interieur-Design überzeugte. Anschließend wurde das seriennahe Konzeptfahrzeug, das auf dem Modularen Längsbaukasten (MLB) basierte, für die Entscheidungsfindung im Aufsichtsrat aufgebaut. Aber da alle Kräfte gebündelt wurden, um die Marke Volkswagen auf die Elektromobilität auszurichten, fiel die Entscheidung am Ende gegen die Oberklasse-Limousine.

„Abstrahleffekt auf die ganze Marke“

Dennoch ist man im Unternehmen überzeugt davon, dass die Entwicklung des Autos das ganze Unternehmen voran gebracht hat: „Auch wenn das geplante Nachfolgemodell somit unverwirklicht blieb, demonstrierte der erste Phaeton mit seinem luxuriösen Komfort, den innovativen Antrieben und der wegweisenden Verarbeitungsqualität, wozu Volkswagen schon vor 20 Jahren in der Lage war. Damit erzielte er einen positiven Abstrahleffekt auf die ganze Marke, der bis dato in vielen Modellen nachhallt.“ Es war von Beginn an ein ehrgeiziges Projekt, das Ferdinand Piëch Ende der Neunzigerjahre auf den Weg brachte. Er wollte mit einer Luxuslimousine ein neues Marktsegment für Volkswagen erschließen und zugleich die ganze Marke auf ein neues Niveau heben. 5,06 Meter Länge, 1,90 Meter Breite, 1,45 Meter Höhe – allein mit diesen Abmessungen reihte sich der Phaeton zwischen seinen Wettbewerbern im Luxussegment ein. Trotz seiner Größe trat er optisch zurückhaltend auf: Sein fließendes Design mit der leicht gewölbten Dachkuppel wirkte zeitlos dezent, nur am Heck setzten runde Rückleuchten unter eckigen Deckgläsern auffällige Akzente. Eleganz und hochwertigste Materialien. Das regt die VW-Presseabteilung auch heute noch zu Liebeserklärungen an: „Unter der ruhig gezeichneten Karosserie verbarg sich ein Innenraum von stilsicherer Eleganz. Chrom, Holzfurnier aus bis zu dreißig Materialschichten und Leder – dieser Dreiklang verdichtete sich am Wählhebel der Automatik, der so massiv und kraftvoll wirkte wie der Schubhebel einer Motoryacht. Holzpaneele deckten die Luftausströmer ab; je nach Einstellung der Klimaautomatik und nach Sonneneinstrahlung öffneten sie sich bei Bedarf elektrisch und lautlos. Auch bei voller Leistung arbeitete die Lüftung nahezu zugfrei.“

Der Innenraum war eine rollende Lounge

Angesprochen wurde eine ansonsten VW-ferne Klientel. Worauf die Wert legen, listet das Unternehmen ebenfalls mit hörbarem Stolz auf: „Der Innenraum des Phaeton war eine rollende Lounge, in der ein kompromissloser Qualitätsanspruch und edle Materialien auf liebevoll arrangierte Technik-Details trafen. Schwer ins Schloss fallende Türen und dicke Glasscheiben isolierten die Fahrgäste von der Außenwelt, die Fugen zwischen den Bauteilen verliefen extrem schmal und strikt parallel. Das optionale Dynaudio-Soundsystem verwöhnte auch anspruchsvolle HiFi-Genießer. Zu ganz großer Form lief der Phaeton auf Langstrecken auf. Seine serienmäßige Luftfederung samt adaptiver Dämpfung ließ ihn geschmeidig-weich über die Autobahn gleiten. Dank ihrer extrem hohen Torsionssteifigkeit kannte die Karosserie kein Klappern oder Knarzen. Die Motorhaube, die Türen und der Kofferraumdeckel bestanden aus Aluminium.“

Nur das Allerbeste war gut genug

Als Chauffeurlimousine gab es eine um 120 Millimeter verlängerte Phaeton-Version mit opulentem Platzangebot im Fond. Einzelsitze mit Massage und Belüftung waren – wie auch in der Normalversion – auf Wunsch zu haben. Auch der Name Phaeton symbolisierte den exklusiven Status der großen Limousine. Er knüpfte nicht nur an die griechische Mythologie an, sondern auch an gleichnamige klassische Modelle von Horch und Škoda. Beim Produktionsstart in Dresden im Dezember 2001 brachte es Ferdinand Piëch auf den Punkt: „An diesem Ort werden wir das Top-Fahrzeug der automobilen Oberklasse von Volkswagen fertigen. Hier werden feinste Handarbeit und modernste Technologie sichtbar und fühlbar.“ Für das neue Flaggschiff war nur das Allerbeste gut genug – das galt auch für die Fertigung. Am Rand der Dresdner City entstand die Gläserne Manufaktur, ein Industriebau von hoher architektonischer Qualität. In seinen lichtdurchfluteten Hallen wurde der Phaeton nahezu vollständig in Handarbeit montiert. Die Beschäftigten waren in Weiß gekleidet, viele von ihnen trugen Handschuhe. Und die Hallenböden waren mit hellem Bergahornholz aus Kanada und dunkler deutscher Mooreiche ausgelegt.

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