Wolfsburg. Mit Personalnot begründet die Stadt Wolfsburg die abrupte Schließung von Büchereien in vier Stadtteilen. Politiker reagieren teils empört.

Es war eine ganz dünne Meldung, die die Stadt Wolfsburg vor wenigen Tagen verschickte: Die Stadtteilbibliotheken in Fallersleben, Vorsfelde, Detmerode und der Nordstadt bleiben plötzlich geschlossen – bis auf Weiteres. Als Grund nennt die Verwaltung akuten Personalmangel. Ortsbürgermeister von betroffenen Stadtteilen sind empört. Was ist da los?

Von der stadtweiten Schließung der kleinen Büchereien verschont bleibt nur die Schul- und Stadtteilbiliothek in Westhagen. Für die anderen Standorte gilt: Die Leihfristen sind bis zum 1. September verlängert. Die Zentrale im Alvar-Aalto-Kulturhaus, die Lernzentren und die Bücherei in Westhagen sind laut Stadt regulär geöffnet. Dort ist die Rückgabe der Medien aus den geschlossenen Bibliotheken möglich.

Bücherei-Schließung in Detmerode zur 60-Jahr-Feier

Besonders bitter stößt die Schließung in Detmerode auf: Der Stadtteil feiert in diesen Wochen 60-jähriges Bestehen – da kommt das vorübergehende Aus für die Einrichtung im Einkaufszentrum am Detmeroder Markt gar nicht gut an. Von großem Frust bei den Detmerodern berichtet die CDU in einer Pressemitteilung. Ortsbürgermeister Joachim Grammes (CDU) sei kurzfristig von Dezernentin Iris Bothe über die Schließung informiert worden. Begründet werde diese mit fehlendem Personal und unzureichender Qualifikation der Absolventen des aktuellen Ausbildungsjahrgangs.

„Wir fordern die Verwaltung auf, umgehend nach internen Lösungsmöglichkeiten zu suchen und nicht einfach mit einer Pressemitteilung über die allgemeine Situation zu klagen“, drängen der Ortsbürgermeister und Fraktionssprecher Thorsten Werner. „Seit Monaten ist auch unsere Stadtteilsprechstelle wegen Personalmangels geschlossen. Das sind völlig falsche Signale zur Detmeroder 60-Jahr-Feier Anfang September!“

Die Stadtteilbibliothek in der Verwaltungsstelle Fallersleben ist ebenfalls bis auf Weiteres geschlossen. Die Einrichtung war erst vor wenigen Jahren umfassend modernisiert worden. (Archiv)
Die Stadtteilbibliothek in der Verwaltungsstelle Fallersleben ist ebenfalls bis auf Weiteres geschlossen. Die Einrichtung war erst vor wenigen Jahren umfassend modernisiert worden. (Archiv) © regios24 | Helge Landmann

Ortsbürgermeister empört über plötzliche Bücherei-Schließungen

Auch der Ortsbürgermeister von Fallersleben äußert sich in der Pressemitteilung empört: „Die Schließung der Stadtteilbücherei in Fallersleben ist ein herber Schlag für alle Nutzerinnen und Nutzer, aber vor allem für die Kinder, die diese Bücherei gerne besuchen“, konstatiert André Schlichting bezüglich der Bibliothek in der Verwaltungsstelle. Für den Christdemokraten ist klar: „Unser Ziel muss es sein, die Stadtteilbibliothek wieder zu eröffnen.“ Die Verwaltung sei aufgefordert, Mitarbeiter, deren Verträge ausgelaufen sind, möglichst wieder einzustellen, damit eine Wiederöffnung zeitnah erfolgen könne.

Die Vorsfelder Ortsbürgermeisterin Sandra Straube (PUG) erinnerte daran, dass man das Thema Bibliotheken kurz vor Beginn von Corona schon einmal auf dem politischen Tableau hatte in Bezug auf die Personalsituation. „Es ist eine logistische Herausforderung, die Zentrale und die Satelliten sind schwierig zu bespielen“, sagte sie zu den diversen Außen-Standorten. Die Stadtbibliothek müsse noch attraktiver werden, um Personal zu begeistern. Krankenstand, Wegzug und Abwerben durch Headhunter seien ein Problem.

Die Parteiunabhängige sagte, dass man sich um Synergien bemühen müsse, zumal es in Vorsfelde auch ein Lernzentrum gebe und der Bücherei-Standort im alten Gemäuer in der Innenstadt desolat und nicht barrierefrei sei. „Wir müssen uns wirklich Gedanken machen“, forderte Straube, stellte aber auch klar: „Es ist natürlich eine Katastrophe, dass die Vorsfelder Stadtteilbücherei zu macht.“

Stadt Wolfsburg nennt nicht planbare Mitarbeiter-Abwesenheiten als Grund

Ebenfalls dicht ist die Stadtteilbücherei am Hansaplatz in der Nordstadt. Für SPD-Ortsbürgermeisterin Immacolata Glosemeyer ein Unding: Die jetzt so plötzlich eingetretene Situation sei „nach außen und innen ein dramatisches Zeichen“. Auch sie sei von der Dezernentin kurzfristig informiert worden. „Aber das kann keine langfristige Lösung sein“, stellte die Ortsbürgermeisterin klar. „Und es scheint ja ein flächendeckendes Problem zu sein.“ Die Büchereien hätte ohnehin schon wenig Personal.

Glosemeyer wies darauf hin, dass die Bücherei auch als Begegnungsort fehle – und zur Belebung des Einzelhandels. „Die Frage ist, ob eine Stadtteilbücherei so professionell aufgestellt sein muss wie die Zentralbibliothek“, gab die Sozialdemokratin zu bedenken.

Auf Anfrage unserer Zeitung zu der beispiellosen Situation, die seit dem 16. August vorerst so bleibt, drückte die Stadt ihr Bedauern aus. Sie sei zurückzuführen „auf nicht planbare und voraussehbare Abwesenheiten von Mitarbeitenden“, teilte Jan-Niklas Schildwächter von der Stadt-Pressestelle mit. „Um eine verlässliche Öffnung der Zentralbibliothek und der Lernzentren sowie die Vermittlungsarbeit für Kinder und Jugendliche gewährleisten zu können, müssen die Stadtteilbibliotheken vorerst geschlossen bleiben“, erläuterte Bildungshaus-Leiter Björn Bertram. Die Situation werde analysiert, man arbeite intensiv an Lösungsansätzen.

Das kann keine langfristige Lösung sein. Und es scheint ja ein flächendeckendes Problem zu sein.“
Immacolata Glosemeyer, SPD, Ortsbürgermeisterin der Nordstadt

Verwaltung will Wolfsburger Stadtteilbibliotheken schnellstmöglich wieder öffnen

Die Stadt versuche mit großem Einsatz, dem Personalmangel durch offensives Recruiting und Ausschreibung freier Stellen zu begegnen – auch für die Büchereien, leider nicht immer mit der erhofften Resonanz. „Ziel ist aber, baldmöglichst sowohl verwaltungsintern als auch in Zusammenarbeit mit der Politik und den zuständigen Gremien, eine konstruktive und zufriedenstellende Lösung zu finden“, kündigte der Pressereferent an. Man wolle die Bibliotheken „schnellstmöglich“ wieder öffnen. Es sei aber nicht zielführend, bereits jetzt einen Zeitplan zu nennen.

Schildwächter stellte zudem klar, „dass die Nutzerfrequenz oder Ausleihhäufigkeit bei der Entscheidung in Bezug auf die Schließungen keine Rolle gespielt hat“. Was die Bücherei in Westhagen betrifft, erklärte der Pressereferent, dass diese gleichzeitig als Schulbibliothek fungiere und weiterhin für die Schule personell abgedeckt werden könne.

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