Wolfsburg. Auch im April fallen an beiden Linien wieder Spätschichten aus. Die begehrten Halbleiter landen bei anderen Modellen und renditestarken Marken.

Die Golf-Produktion im Wolfsburger VW-Stammwerk entwickelt sich zum Trauerspiel. Es droht das langsame Ausbluten der einst so vitalen Fertigung des Kompaktmodells. Wie im gesamten bisherigen Jahresverlauf (und schon davor) fallen auch im April Spätschichten an den beiden Montagelinien 2 und 3 aus, auf denen das schwächelnde Kompaktmodell gebaut wird. Drei von vier Nachtschichten, darunter die beiden in der Golf-Fertigung, hatte VW schon vor einem Jahr aufgelöst. Über die Streichung einer der Spätschichten hatte das Unternehmen bereits nachgedacht. Bislang verweigert sich der Betriebsrat entsprechenden Plänen.

Wo genügend Teile sind, da gibt es Rekorde

Doch die Lage wird nicht besser. Zu Beginn des zweiten Quartals fallen an den beiden Golf-Linien je zwei Wochen lang die Spätschichten aus. Bis zum 14. April trifft es zunächst die ML 2, danach – vom 17. bis zum 28. April – die ML 3. Fraglich ist, wie lange VW die konzernintern priorisierten Verteilung der Halbleiter noch legitimieren kann. Die renditestarken Marken Porsche und Audi hatten und haben keine oder geringe Probleme, sie fuhren Rekordergebnisse ein. Sie steigerten im vergangenen Geschäftsjahr den Absatz, Umsatz und die operative Umsatzrendite. Porsche erwirtschaftet eine Traumrendite von 18 Prozent und peilt nun sogar die 20-Prozent-Marke an. Audi gelang immerhin noch 12 Prozent. VW-Markenchef Thomas Schäfer hatte die unhaltbare Versorgungssituation kürzlich nochmals deutlich kritisiert.

Auswirkungen auf die Mitarbeiter-Boni

Betriebswirtschaftlich macht die derzeit praktizierte Steuerung Sinn. Volkswagen schreibt im Geschäftsbericht 2022 auch ganz offen, dass ein Zusammenhang zwischen der Teileverfügbarkeit, die ja durch die interne Zuteilungspolitik verschärft wird, und der Performance der Marke besteht. Das wiederum wirkt sich auch auf die Ergebnisbeteiligung der Tarifbeschäftigten aus, die etwa zwischen VW, Audi und Porsche sehr unterschiedlich hoch ausfällt. Im Betriebsratswahlkampf 2022 war deshalb auch über einen konzernweiten Bonus diskutiert worden – passiert ist bis heute nichts.

Auch beim Tiguan läuft es rund

Auch in Wolfsburg gibt es Unterschiede bei der Zuteilung. So fährt die Montagelinie 4, auf der der Gewinnbringer Tiguan und daneben noch die Modelle Touran und Seat Tarraco gebaut werden, sogar noch im Dreischichtbetrieb. Der Tiguan wird auch auf der Linie 1 gebaut. Derzeit allerdings nur im Einschichtbetrieb, weil dort Umbauarbeiten für den ab Spätsommer in Wolfsburg gefertigten Stromer ID.3 laufen. Ab Sommer wird auch der neue Tiguan nach seiner Wolfsburger Weltpremiere dort von den Bändern laufen. Es ist also nicht davon auszugehen, dass dann die Halbleiterzuteilung anders gewichtet wird – im Gegenteil. Weltweit ist der Tiguan das beliebteste VW-Modell, der Golf ist auf Rang 7 abgefallen.

Das Personal geht in Kurzarbeit oder an andere Linien

Das sind keine guten Perspektiven für die Golf-Teams. Fraglich ist ja auch, wie lange VW noch Kurzarbeit wegen der Versorgungslage beantragen kann. Schließlich gibt es die Teile ja – sie landen nur nicht in der Golf-Produktion. Schon jetzt wird auch das frei werdende Personal durch die Schichtabsagen in der Golf-Produktion nicht komplett in die Kurzarbeit geschickt, sondern auf die anderen Linien – also vorrangig die ML 4 sowie auf die ML 1 – verteilt. „Die meisten Beschäftigten aus der Spätschicht unterstützen in diesem Zeitraum die anderen Montagelinien“, teilt Volkswagen dazu mit. Konkret kommen derzeit nicht genug Halbleiter für Komponenten an die Golf-Bänder, die zum Beispiel bei Getrieben und Motorsteuergeräten benötigt werden.

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