Berlin. Nach einem Seitensprung stellen sich viele Betrogene die Frage: Bleibt es bei einem Ausrutscher? Ein Experte hat eine klare Antwort.

  • Wer einmal fremdgeht, geht immer fremd? Stimmt das wirklich?
  • Ein Psychologe erklärt im Gespräch mit unserer Redaktion, warum dieses Stigma nicht angebracht ist
  • Seine Botschaft dürfte vielen betroffenen Paaren Hoffnung machen

Über Untreue ranken sich viele Mythen. Einer davon lautet: Wer einmal fremdgeht, geht immer fremd. Sicherlich gibt es Fremdgeher und Fremdgeherinnen, die ihre bessere Hälfte immer wieder betrügen. Doch gilt das für alle untreuen Menschen? Ein Psychologe klärt auf, was hinter dem Stigma „Fremdgeher“ steckt und ob ein Betrüger wieder treu werden kann. Antworten auf die wichtigsten Fragen:

Beziehung: Kann ein Fremdgeher wieder treu werden?

Glaubt man den Ergebnissen einer Studie der University of Denver, ist die Hemmschwelle zum Fremdgehen bei ehemaligen Fremdgehern niedriger als bei Menschen, die bisher immer treu waren. Für die Studie wurden 484 unverheiratete, heterosexuelle Paare im Alter von 18 bis 34 Jahren über einen längeren Zeitraum beobachtet. Die Ergebnisse zeigten, dass diejenigen, die nach eigenen Angaben in einer vorangegangenen Beziehung sexuell untreu waren, dies dreimal häufiger auch bei ihrer nächsten Beziehung so waren.

Dennoch ist sich Psychologe und Paartherapeut Rüdiger Wacker aus Essen sicher: „Menschen können sich ändern, sie ändern sich ständig.“ Problematisch findet Wacker die Substantivierung „Fremdgeher“. „Damit wird implizit aus einem Verhalten eine Persönlichkeit gemacht“, erklärt er. Außerdem lasse die Zuschreibung außer Acht, dass ein Mensch, der fremdgegangen ist, aus dem Geschehenen lernen und sein Verhalten ändern kann – wenn er will.

Vertrauen ist für eine gesunde Beziehung von entscheidender Bedeutung. Leider gibt es viele Faktoren, die das Vertrauen in einer Beziehung erschüttern können.
Vertrauen ist für eine gesunde Beziehung von entscheidender Bedeutung. Leider gibt es viele Faktoren, die das Vertrauen in einer Beziehung erschüttern können. © iStock | Larisa Stefanuyk

Nach einem Seitensprung: Kann man sich sicher sein, nicht mehr betrogen zu werden?

Kann man das Verhalten eines Menschen mit Sicherheit vorhersagen? „Ich glaube nicht“, sagt Rüdiger Wacker. Auch eine absolute Sicherheit in Beziehungen hält der Psychologe für eine Illusion. Aber: „Nach einem Seitensprung ist die individuelle und gemeinsame Aufarbeitung wichtig, um einen erneuten Vertrauensbruch unwahrscheinlicher zu machen“, so der Experte.

Meist sei im Vorfeld zu wenig über die Bedürfnisse gesprochen worden, oder der Umgang mit Konflikten sei nicht kooperativ möglich gewesen. Der Auf- und Ausbau dieser Kompetenzen sei wichtig, um eine neue Ebene der Vertrautheit und des Verständnisses zu schaffen, erläutert der Psychologe.

Affäre erkennen: Wie findet man heraus, ob der Partner noch eine andere hat?

Fremdgehen sei keine Charaktereigenschaft und auch keine Identitätsbeschreibung, meint Wacker. Laut dem Experten gibt es zwar Menschen, in deren Wertekanon Treue, Verbindlichkeit und Monogamie keinen hohen Stellenwert haben – viel wichtiger sind ihnen Spaß, Abenteuer und Freiheit. Das mache sie aber noch lange nicht zu untreuen Partnern. „Der Versuch, eine Checkliste abzuarbeiten, kann unter Umständen das Problem erst schaffen, das man zu lösen versucht“, sagt Wacker. Er warnt davor, den Partner zum Verursacher des Problems zu erklären, denn sobald ein Aspekt auf untreues Verhalten zutrifft, fällt der Verdacht auf den anderen. Das wiederum könne Untreue sogar wahrscheinlicher machen.

Wer dies im Hinterkopf behält, kann laut dem Psychologen auf folgende Anzeichen achten, die auf eine mögliche Affäre hindeuten können:

  • unerklärliche Abwesenheiten
  • verändertes Interesse am äußeren Erscheinungsbild (z. B. Fitness, Kleidung)
  • plötzliche Unzufriedenheit mit der Beziehung oder dem Leben allgemein

Partnerschaft: Wie kann man nach einem Seitensprung wieder Vertrauen aufbauen?

Nach einem Seitensprung ist oft das zerstört, was die Liebe einst ausmachte: das gegenseitige Vertrauen. Der Paartherapeut Wacker hält es deshalb für wichtig, dass die Paare einen gemeinsamen Weg finden, über das Geschehene und die aktuellen Gefühle zu sprechen. Das sei oft besonders schwierig, weil es meist schon vorher Kommunikationsprobleme gegeben habe. „Das Paar hat einerseits mit der emotionalen Katastrophe zu kämpfen und gleichzeitig die Aufgabe, besser als zuvor miteinander zu reden und – nicht weniger wichtig – einander interessiert und engagiert zuzuhören“, sagt Wacker.

In den meisten Fällen, so der Psychologe, helfe es, wenn zunächst der betrogene Partner im Gespräch Raum für seine Fragen, seine Wut, seine Verletzung und seine Trauer bekomme. „Hier sind Einfühlungsvermögen, Verständnis und Geduld auf der anderen Seite gefragt, denn diese Themen können sich mehrmals wiederholen, bis sich die starken Gefühle gelegt haben“, ergänzt Wacker. Irgendwann sei es aber auch notwendig, den Gefühlen und Themen des untreuen Partners Raum zu geben – auch wenn das einige Wochen Vorlauf bedeute. „Nur wenn sich beide Partner nach und nach besser kennen und verstehen lernen, kann gegenseitiges Vertrauen entstehen“, fasst Wacker zusammen.