Gifhorn. In Gifhorn helfen mehr als 30 zertifizierte und ehrenamtliche Technikbotschafter älteren Menschen beim Umgang mit Smartphone und Tablet.

„Man glaubt es nicht, wie schnell es sich rumspricht, dass man TEBO ist“, sagt Siegfried Reich lächelnd. Der 72-Jährige Gifhorner ist seit weit mehr als einem Jahr als Technikbotschafter, kurz TEBO, unterwegs. Mit rund 30 weiteren Ehrenamtlichen im Alter von 45 bis 75 Jahren ist er angetreten, damit die ältere Generation nicht digital völlig abgehängt wird. Wir groß der Bedarf bei den Senioren an Hilfestellung ist, hat Reich sowohl im privaten als auch im ehrenamtlichen Bereich erfahren.

Mehr als 15 Stunden in der Woche ist der ehemalige leitende VW-Angestellte als TEBO unterwegs. „Ursprünglich habe ich mal vier Stunden mit meiner Frau vereinbart“, doch die Nöte der Seniorinnen und Senioren vor allem im Umgang mit Smartphone, Tablet oder PC hätten seinen Engagement schnell steigen lassen. Bis zu 100 Menschen hat er in einem Jahr geholfen, sich mit den Tücken der digitalen Welt auseinander zu setzen.

Projekt „Technikbotschafter“ ist 2021 gestartet

Und dabei gingen Lust und Frust zumeist einher. Reich, der seit dem 16. Lebensjahr ehrenamtlich aktiv ist: „Es ist einfach ein schönes Gefühl, jemandem helfen zu können. Zu meinen größten erfolgen als TEBO zählen zwei Gruppen, in denen wir richtig Spaß haben, die jetzt selbst Emails verschicken können, auch wenn das noch manchmal aus Versehen passiert.“ Dies ist für so manchen Digital- und Internet-Nerd zwar kaum vorstellbar, doch es gibt Menschen, die sich damit einfach schwer tun.

Aus Sicht und Erfahrung des Technikbotschafters sind es viel zu viele. Es sei einfach ein Berg aus Arbeit, den man nicht bewältigen könne und der punktuell für Frust Sorge. Mit rund 9.000 Menschen beziffert Ralf Überheim vorsichtig die Größe der Zielgruppe in Stadt und Landkreis Gifhorn. Der Fachberater der Kreisvolkshochschule (KVHS) Gifhorn koordiniert das im September 2021 gestartete Projekt. „Als KVHS haben wir es in Gelsenkirchen entdeckt und dann festgestellt, dass sich der Seniorenbeirat dem Problem mit Insellösungen angenommen hatte. Der Beirat wurde dann schnell zur politischen Schnittstelle, die wir brauchten, auch um Zuschüsse zu erhalten“, so Überheim.

Individuelle Schulungen werden für die Senioren angeboten

Einige Mitglieder des Seniorenbeirats waren dann auch die ersten Ehrenamtlichen, die sich als geschulte und zertifizierte TEBOs verdingten. Als ihr Einsatz in der Presse öffentlich wurde, waren auch Reich und weitere Mitstreiter sofort dabei, wenn es darum geht, die schöne neue Android- beziehungsweise Apple-Welt Mitmenschen näher zu bringen. Dabei geht es aber laut Überheim ausschließlich darum, wie die Senioren ihr Handy und Co. nutzen möchten. Es gibt keine Kurse, sondern vielmehr individuelle Schulungen in möglichst kleinen Gruppen.

Die Erfolgsziele sind zumeist gleich gelagert. „Whatsapp, Email und Google“, meint Reich. „Die Älteren sind sehr misstrauisch und glauben, im Internet immer über das Ohr gehauen zu werden. Oftmals hilft da schon der Rat weiter, wo der nächste vertrauenswürdige PC-Shop in Gifhorn ist, an den man sich wenden kann.“ Ganz generell wollen die TEBOs „einen Grundstock bilden, damit selbstständig weiter gearbeitet werden kann“.

Auch Gruppen können einen TEBO einladen

Das fängt oft mit vertrauensbildenden Maßnahmen sowie Reichs Tipp an: „Sich durch die vielen Negativschlagzeilen nicht verrückt machen zu lassen. Die Senioren haben meist kein Vertrauen in sich selbst und in die digitale Welt. Sie meinen, sie bekommen ohne das Digitale die Restlaufzeit über die Runden“. Das dies zumeist nicht funktioniere, werde schon bei der Terminfindung im Rathaus oder bei Bankangelegenheiten deutlich. Beim Thema Online-Banking allerdings sind die TEBOs außen vor. „Das ist viel zu heikel und müssen letztlich die Geldinstitute leisten“, betont Überheim.

Denn die (digitale) Sicherheit der Senioren wird bei der KVHS und den Technikbotschaftern, die einen entsprechenden Ausweis haben, ganz groß geschrieben. Einzelpersonen werden beispielsweise immer zu zweit besucht. Aber auch Gruppen bis zu 12 Personen können einen TEBO einladen, wenngleich dies für diese zumeist aufgrund von stark variierenden Bedürfnissen sowie Hard- und Software sehr herausfordernd ist.

Herausfordernd ist auch der Bedarf. In Brome und Rühen beispielsweise ist das Angebot bereits bis Mitte 2024 ausgebucht. Doch die KVHS stellt sich der Aufgabe. „Bis Ende des Jahres möchte wir noch 50 weitere Technikbotschafter finden.“ Das ist aus Sicht von Reich und seinen ehrenamtlichen Mitstreitern auch dringend geboten, denn „die digitale Welt behandelt Senioren überheblich. Entweder sie kommen irgendwie mit oder sie sind völlig raus.“

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