Wolfenbüttel/Achim. Elisabeth Hauenschild setzt sich seit vier Jahrzehnten für den Kinderzirkus Kimarek ein. Das Team ist jetzt für den Gemeinsam-Preis 2023 nominiert.

Manche Ideen sind so einfach und so gut, dass man sich hinterher fragt, warum es sie nicht schon früher gegeben hat. Es ist Mitte der 1980er Jahre. Im Asse-Zeltlager, veranstaltet von der Kreisjugendpflege Wolfenbüttel für Kinder im Alter von 8 bis 14 Jahren, sitzen nachts Betreuerinnen und Betreuer am Lagerfeuer neben einem Bauwagen. Unter ihnen befindet sich Elisabeth Hauenschild, damals Anfang 20. „Wir haben uns die Köpfe heißgeredet“, erinnert sich die heute 59-jährige aus Achim im Landkreis Wolfenbüttel. Der Grund: Am lodernden Feuer entstand die Idee, mit dem Bauwagen übers Land zu ziehen. „Wir wollten Zirkus für Kinder machen.“

Förderung der offenen Jugendarbeit

Es ist quasi die Geburtsstunde des „Kinderzirkus Kimarek“, der 1987 offiziell an den Start geht. Elisabeth Hauenschild ist dabei, eine Zirkusfrau der ersten Stunde. Initiator des Projekts ist Axel Wiegmann, im Jahr 1984 mit anderen jungen Leuten Gründer des „Verein zur Förderung der offenen Jugendarbeit“. Dessen Mitglieder bereisten damals mit eben diesem Bauwagen den Landkreis und boten Wochenendaktionen für Kinder an. Fortan spezialisierte sich der Verein, dessen sperriger Name noch heute existiert, auf die bunte Zirkuswelt.

Weniger sperrig als vielmehr lebhaft ist das, was die Macher des Kinderzirkus fast 40 Jahre nach der Gründung noch immer auf die Beine stellen. Drei jeweils einwöchige Maßnahmen – so nennen die Wolfenbütteler Zirkusleute ihre Programme für die 8- bis 16-jährigen Kinder und Jugendlichen – stellen die Macher um Elisabeth Hauenschild in jedem Sommer auf die Beine. Die 59-Jährige hatte Anfang 2001 den Vereinsvorsitz übernommen.

Nachwuchs-Zirkusleute gestalten das Programm

Eine Frau der ersten Stunde: Elisabeth Hauenschild war im Jahr 1984 Mitgründerin des
Eine Frau der ersten Stunde: Elisabeth Hauenschild war im Jahr 1984 Mitgründerin des "Verein zur Förderung der offenen Jugendarbeit" aus dem heraus der Kinderzirkus Kimarek entstand. Heute ist die 59-jährige Achimerin Vorsitzende des Vereins.  © Jörg Kleinert

Ihr in der Hauptabspannung 43 mal 43 Meter großes Zirkuszelt bauen die Kimarek-Verantwortlichen stets in einem anderen Dorf des Landkreises Wolfenbüttel auf, in diesem Juli und August sind sie in Winnigstedt. Nur noch wenige Teilnehmerplätze sind frei. Von Jonglage über Bodenakrobatik und Feuerspucken bis zum Einrad fahren und Trapezturnen denken sich die Nachwuchs-Zirkusleute ihr Programm selbst aus. „Von der Kunstturnerin bis zum Couch-Potato haben wir alles dabei“, sagt Hauenschild. „Jeder darf das ausprobieren, wozu er Lust hat und was seinen Fähigkeiten entspricht.“ Jeweils am Ende einer Projektwoche gibt es zwei öffentliche Aufführungen.

So gut organisiert ging es im Kinderzirkus Kimarek aber nicht immer zu. In den ersten Jahren fanden die Zirkusvorstellungen unter freiem Himmel statt. Das änderte sich mit der Öffnung der innerdeutschen Grenze im Jahr 1989. „Wir haben uns Dreiecksplanen aus den Altbeständen der Nationalen Volksarmee gesichert“, erzählt Elisabeth Hauenschild. „Die wurden zusammengeknüpft und von einem Holzmast gehalten.“ Ein wackliges Konstrukt, wie sich 1992 zeigte. Ein Sturm kam auf und das selbstgebaute Zirkuszelt flog kurz vor einer Aufführung davon. Die Zirkus-Macher fragten sich: Was nun? In der ARD gab es zu dieser Zeit die Sendung „Jetzt oder nie“. Die Rolle von Moderator Ingo Dubinski: Er musste innerhalb von 72 Stunden ungewöhnliche Aufgaben lösen. „Wir haben uns beim Sender gemeldet und erzählt, dass wir ein neues Zirkuszelt brauchen“, erinnert sich die Krankenschwester. „Kurze Zeit später bekamen wir den Zuschlag.“ Dubinski löste die Aufgabe am Ende in der vorgegebenen Zeit. „Die neue Zelthaut hatte er in Italien besorgt“, erzählt Elisabeth Hauenschild.

Kinderzirkus lebt von Spenden und Teilnehmerbeiträgen

Das Zelt hält bis heute. Gesichert wird die acht Tonnen schwere Zelthaut von 1,30 Meter tief in den Boden gerammten Nägeln. Der Innenraum hat einen Durchmesser von 22 Metern, die Manege von neun Metern. Rund 350 Zuschauer finden in dem Zelt Platz. „Für den Aufbau brauchen wir zehn Leute, einen Radlader, einen Hammer, um die Erdnägel in den Boden zu treiben und ein Wochenende Zeit“, sagt die Hobby-Zirkusfrau aus Achim. Das jeweils zuständige Bauamt nimmt den Aufbau ab.

Doch so ein Projekt verschlingt Geld. Der Kinderzirkus lebt von Spenden und Teilnehmerbeiträgen. Die decken jedoch kaum jene Kosten, die die ständigen Ausbesserungen an der Inneneinrichtung des Zeltes verschlingen. „An Manege-Boden und Bestuhlung müssen wir bald ran, die sind in die Jahre gekommen“, erzählt Elisabeth Hauenschild, die sich ihre Leidenschaft für die Zirkuswelt seit vier Jahrzehnten bewahrt und regelmäßig Vorstellungen von Profi-Zirkussen besucht. „Schließlich muss man immer schauen, was die anderen machen.“

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