Wolfenbüttel. Podcast, Print und Tiktok: Sieben Nachwuchsjournalisten wurden in der Herzog-August-Bibliothek für besondere Beiträge ausgezeichnet.

Es war eine Feierstunde zwischen zwei Medien-Welten. In der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel, dem Ort, der für die alten Traditionen abendländischen Wissens steht wie kein anderer in unserer Region, wurden junge Journalistinnen und Journalisten der Funke Mediengruppe mit dem Eckensberger-Preis geehrt – für, wie es in den Statuten heißt, „herausragende Beiträge, um den Qualitätsjournalismus zu fördern“. Für eben diesen Qualitätsjournalismus ist digitale Technik längst lebenswichtig – für die Recherche oder den Weg der Botschaft zur Leserschaft. Sven Gösmann, Chefredakteur der Deutschen Presseagentur, hob in seiner Festrede aber auch hervor, gute Journalisten seien durch keine Künstliche Intelligenz zu ersetzen. „Wahrhaftiger Journalismus funktioniert nicht ohne den Menschen – als Reporterin, als Rechercheur, als Einordnerin, als Übersetzer in das normales Leben.“

DPA-Chef Gösmann nutzte Chat-GTP für Rede

Trotzdem zeigte der dpa-Chef, der sein Handwerk bei der Braunschweiger Zeitung gelernt hat, wie hilfreich die modernen Werkzeuge für Journalisten heute sein können. Einen Teil seiner Rede hatte Gösmann – laut Moderator Henning Noske „eine Säule des Qualitätsjournalismus“ – nämlich von der Software Chat-GTP verfassen lassen. In wenigen Sekunden, berichtete er, habe das Programm, das automatisch Texte erstellt,

Sven Gösmann, Chefredakteur der Deutschen Presse-Agentur, sagte: „Der Wahrheit nahezukommen braucht Menschen, die hartnäckig dranbleiben, nicht nur Naheliegendes verknüpfen, sondern dorthin leuchten, wo es dunkel ist.“
Sven Gösmann, Chefredakteur der Deutschen Presse-Agentur, sagte: „Der Wahrheit nahezukommen braucht Menschen, die hartnäckig dranbleiben, nicht nur Naheliegendes verknüpfen, sondern dorthin leuchten, wo es dunkel ist.“ © regios24 | Darius Simka/regios24

Antworten auf die Frage geliefert, was den „Journalismus der Zukunft“ ausmache. Heraus kam: Die Veränderungen durch die Digitalisierung, die zunehmende Bedeutung künstlicher Intelligenz, das Problem durch Desinformation, die lebenswichtige Rolle des Journalismus für die Demokratie, welche Eckensberger-Stiftungschef Wilhelm Koller zuvor in kritischen Eingangsworten unterstrichen hatte. „Das alles kann ich unterschreiben“, sagte Gösmann an die jungen Preisträger gewandt, „und sollten bitte auch Sie unterschreiben!“ Neben Offenheit für neue Technik, dem Diktat der Zielgruppenorientierung und der ständiger Lernbereitschaft komme es aber auch auf zeitlose Tugenden an: „Der Wahrheit nahezukommen braucht Menschen, die hartnäckig dranbleiben, die nicht nur Naheliegendes verknüpfen, sondern dorthin leuchten, wo es dunkel ist.“

Zehn Tage ohne Soziale Medien

Sogar in einem wörtlichen Sinne duster war es bei dem Thema, über das Justus Heinisch berichtet hat – nämlich auf dem Smartphone-Bildschirm. Den junge Redakteur der „Westdeutschen Allgemeinen“ hat auf den Aus-Knopf gedrückt. Für seinen Erfahrungsbericht über zehn Tage ohne Facebook, Instagramund Co. wählte ihn die Jury auf Platz eins in der Kategorie „Print“ – also für Texte in der klassischen, gedruckten Zeitung. Heinisch habe sich mit seinem Selbstversuch nicht begnügt, hob Laudatorin Bettina Vogler-Klages, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Eckensberger-Stiftung, hervor. Im Interview mit einer Expertin habe er auch das Suchtpotential sozialer Netzwerke ausgelotet – unter der originellen Zeile: Von Menschen, die auf Bildschirme starren. „Er hat durchgehalten, das ist nicht selbstverständlich“, lobte Vogler-Klages den Beitrag „der viele von uns betrifft“.

Platz zwei für eine „echte Mutmacher-Geschichte“

Ebenfalls ein an der Schnittstelle Mensch-Technik angesiedeltes Thema hatte sich Maximilian Bronner vorgenommen. In seinem Beitrag „Ich muss dreimal pro Woche an die Steckdose“ hat der Redakteur beim Hamburger Abendblatt einen jungen Mann porträtiert, der im Alter von 15 Jahren zum Pflegefall wurde und nur Dank eines Hirnschrittmachers heute wieder aufrecht stehen kann. Bronner wurde dafür in Wolfenbüttel mit dem zweiten Platz der Kategorie „Print“ belohnt.

Verleihung Eckensberger Preis 2023

3. Preis in der Multimediakategorie Preisträgerin: Katja Beyrodt: „Salgzitter-Check – TikTok-Format“
3. Preis in der Multimediakategorie Preisträgerin: Katja Beyrodt: „Salgzitter-Check – TikTok-Format“
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2. Preis in der Multimediakategorie Preisträgerin: Lukas Mauri: „VW Chef Diess – Podcast“ Laudatio: Dr. Wilhelm J. Koller
2. Preis in der Multimediakategorie Preisträgerin: Lukas Mauri: „VW Chef Diess – Podcast“ Laudatio: Dr. Wilhelm J. Koller
2. Preis in der Multimediakategorie Preisträgerin: Lukas Mauri: „VW Chef Diess – Podcast“
2. Preis in der Multimediakategorie Preisträgerin: Lukas Mauri: „VW Chef Diess – Podcast“
1. Preis in der Multimediakategorie Preisträgerin: Gesa Born & Anja Wölker: „Die Jahrhundertflut - Podcast“ Laudatio: Dr. Kerstin Loehr
1. Preis in der Multimediakategorie Preisträgerin: Gesa Born & Anja Wölker: „Die Jahrhundertflut - Podcast“ Laudatio: Dr. Kerstin Loehr
1. Preis in der Multimediakategorie Preisträgerin: Gesa Born & Anja Wölker: „Die Jahrhundertflut - Podcast“
1. Preis in der Multimediakategorie Preisträgerin: Gesa Born & Anja Wölker: „Die Jahrhundertflut - Podcast“
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Moderation Henning Noske
Moderation Henning Noske
Grußwort von Dr. Wilhelm Koller, Vorstandsvorsitzender der Hans-und-Helga-Eckensberger-Stiftung
Grußwort von Dr. Wilhelm Koller, Vorstandsvorsitzender der Hans-und-Helga-Eckensberger-Stiftung
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Festrede: Sven Gösmann Chefredakteur der Deutschen Presse-Agentur
Festrede: Sven Gösmann Chefredakteur der Deutschen Presse-Agentur
Festrede: Sven Gösmann Chefredakteur der Deutschen Presse-Agentur
Festrede: Sven Gösmann Chefredakteur der Deutschen Presse-Agentur
Festrede: Sven Gösmann Chefredakteur der Deutschen Presse-Agentur
Festrede: Sven Gösmann Chefredakteur der Deutschen Presse-Agentur
Ukrainisches Musik-Trio, Volodymyr Prykhozhay (Klavier), Terenty Shevchenko (Klarinette), Evgeny Savostin (Gitarre)
Ukrainisches Musik-Trio, Volodymyr Prykhozhay (Klavier), Terenty Shevchenko (Klarinette), Evgeny Savostin (Gitarre)
3. Preis: Kevin Kulke: „Schwimmen mit dem Schweinehund“
3. Preis: Kevin Kulke: „Schwimmen mit dem Schweinehund“
3. Preis: Kevin Kulke: „Schwimmen mit dem Schweinehund“ Laudatio: Harald Likus
3. Preis: Kevin Kulke: „Schwimmen mit dem Schweinehund“ Laudatio: Harald Likus
2. Preis Preisträger: Maximilian Bronner: Ich muss dreimal pro Woche an die Steckdose“, Katrin Schiebold
2. Preis Preisträger: Maximilian Bronner: Ich muss dreimal pro Woche an die Steckdose“, Katrin Schiebold
2. Preis Preisträger: Maximilian Bronner: Ich muss dreimal pro Woche an die Steckdose“
2. Preis Preisträger: Maximilian Bronner: Ich muss dreimal pro Woche an die Steckdose“
1. Preis Preisträger: Justus Heinisch: „Ich bin dann mal raus“ Laudatio: Bettina Vogler-Klages
1. Preis Preisträger: Justus Heinisch: „Ich bin dann mal raus“ Laudatio: Bettina Vogler-Klages
1. Preis Preisträger: Justus Heinisch: „Ich bin dann mal raus“
1. Preis Preisträger: Justus Heinisch: „Ich bin dann mal raus“
3. Preis in der Multimediakategorie Preisträgerin: Katja Beyrodt: „Salgzitter-Check – TikTok-Format“ Laudatio: Claudia Strukmeier
3. Preis in der Multimediakategorie Preisträgerin: Katja Beyrodt: „Salgzitter-Check – TikTok-Format“ Laudatio: Claudia Strukmeier
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Laudatorin Katrin Schiebold, Mitglied der Chefredaktion unserer Zeitung, sprach von einer „echten Mutmacher-Geschichte“ und hob das feine Gespür des Autors hervor: Bronner habe den Leidensweg seines Protagonisten ebenso wie den Ausweg aus dem Tief anschaulich, einfühlsam, aber auch mit wohltuend sachlicher Distanz geschildert. „Er drückt nicht auf die Tränendrüse, verliert sich nicht in Details. Er überlässt es dem Leser, sich ein Bild zu machen.“

Kulke berichtet uneitel vom Eisbade-Selbstversuch

Dorthin, wo es zwar nicht besonders dunkel, dafür aber ziemlich kalt ist, hatte sich Kevin Kulke begeben. Der Volontär des Harz-Kuriers landete mit seinem Erfahrungsbericht vom Eisbaden auf Platz drei beim „Print“. Launig hob Harald Likus, Reporter dieser Zeitung, die Qualitäten von Kuhlkes „Reportage der Kategorie Selbstversuch bei besonders geringer Neigung und Disposition“ hervor. Die ebenso bildhafte wie uneitle Schilderung der anfänglichen Bedenken, der Reaktionen des eigenen Körpers, schließlich der Euphorie nach den ersten hektischen Schwimmzügen mache den Charme des Artikels „Schwimmen mit dem Schweinehund“ aus.

Die Gewinner in der Kategorie „Multimedia“

Die Jahrhundertflut an Ahr und Rhein – Ein Jahr danach

Nicht nur klassische gedruckte Zeitungstexte wurden von der Eckensberger-Jury prämiert. Zum dritten Mal wurde der Preis auch in der Kategorie „Multimedia“ vergeben. Mit dem Siegerinnenduo Gesa Born und Anja Wölker, beide von der Westfalenpost, wurde allerdings erstmals in der Geschichte des Preises ein Podcast ausgezeichnet. In fünf Hör-Beiträgen mit dem Titel „Die Jahrhundertflut – Ein Jahr nach der Katastrophe“ haben die beiden Journalistinnen die schwere Flut und ihre Folgen journalistisch aufgearbeitet, die Teile von Nordrhein-Westfalen und von Rheinland-Pfalz am 14. Juli 2022 traf. In ihrer Laudatio erinnerte Kerstin Loehr, Chefredakteurin dieser Zeitung, an die 49 Todesopfer, die das Ereignis allein in Nordrhein-Westfalen gefordert hat. „Viele standen vor dem Nichts, und die Katastrophe ist auch heute längst noch nicht vorbei“, sagte sie. „Dieser Podcast ist weit mehr als Gespräch, er macht eine Katastrophe und ihre Folgen nachfühlbar – und wird damit in die Geschichte eingehen.“

Mauri und VW-Experten durchleuchten Diess

Auch Platz zwei in der Multimedia-Kategorie wurde für einen Podcast vergeben. Lukas Mauri, Redakteur unserer Zeitung, erhielt den Preis für die Produktion „VW Chef Diess – Der Boss. Der Influencer. Die Reizfigur“. Darin durchleuchtet Mauri zusammen mit VW-Experten das Wirken und Wesen des ehemaligen Konzernchefs und erlaubt Einblicke in dessen Arbeit. „Der Podcast hat mich von Anfang an in den Bann gezogen“, berichtete der Stiftungsvorsitzende Koller in seiner Laudatio und schwärmte: „Die Fragen sind so gestellt, dass sie gute Antworten hervorrufen. Von Frage zu Frage bleibt die Spannung erhalten, es entsteht nicht eine Sekunde Leerlauf. Ein Hörerlebnis!“

Ein Salzgitteraner Tiktok-Video mit besonderem Potenzial

Auch „Multimedia“-Platz drei ging an eine Mitarbeiterin unserer Redaktion. Volontärin Katja Beyrodt hat in einem Video der Social Media-Plattform TikTok die Ergebnisse einer Straßenumfrage präsentiert. In dem lebendigen, temporeich geschnittenen, kurzen Film geht es um die Frage, ob Salzgitter zu Recht als sozialer Brennpunkt gilt – und was aus Sicht der meist jungen Befragten zu verbessern wäre. Claudia Strukmeier, Stellvertretende Stiftungsvorsitzende, würdigte in ihrer Laudatio das Potenzial des Formats, Menschen zur Beschäftigung mit regionalen Themen neu anzuregen. „Die Mehrheit der Befragten sah nicht aus wie typische Zeitungsleser“, sagte sie. Durch diese „andere Art“ der Auseinandersetzung würden „Leute erreicht, die sonst wenige Berührungspunkte mit einer Zeitung haben“.

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