Braunschweig. Niedersachsens Ministerpräsident ist überzeugt: Horst Seehofer gefährdet die politische Kultur.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) erhebt schwere Vorwürfe gegen Bundesinnenminister Horst Seehofer. „Er gefällt sich in einer Politik der permanenten Provokation gegenüber der Kanzlerin“, sagte Weil im Interview mit unserer Zeitung. Das könne ihn als Sozialdemokraten nicht unberührt lassen – schließlich führe die SPD eine Koalition mit der Union.

Weil sprach nach der Beförderung von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen zum Staatssekretär im Bundesinnenministerium von einem permanenten Streit zwischen Seehofer (CSU) und Kanzlerin Angela Merkel (CDU). „Das ist wie ein Virus, der im Organismus der Bundesregierung sein Unwesen treibt.“

Die Beförderung Maaßens habe die SPD hinnehmen müssen, sagte Weil. Die Alternative wäre das Ende der Großen Koalition in Berlin gewesen. „Ich versuche gar nicht, mir Gründe für die Berufung von Herrn Maaßen zum Staatssekretär im Innenministerium aus den Fingern zu saugen. Es ist eine falsche Entscheidung von Herrn Seehofer. Frau Merkel hat sich selbst geschadet, das zu dulden. Es wäre aber falsch gewesen, deshalb in Neuwahlen hineinzustolpern.“ Die Ergebnisse wären völlig unkalkulierbar und für dieses Land nicht zu verantworten, sagte Weil, der gegen Seehofer nachlegte: „Ich glaube inzwischen nicht mehr, dass er dem Amt des Innenministers gewachsen ist.“

Der Gescholtene gab sich am Mittwoch ganz nüchtern. Seehofer sagte, angesprochen auf Gunther Adler, den Staatssekretär der SPD, der jetzt für Maaßen Platz machen muss: „Er ist jetzt halt Opfer.“

Die Beförderung von Maaßen zum Staatssekretär empfinden einer Umfrage zufolge indes viele als Sieg für Seehofer. In einer von Focus Online in Auftrag gegebenen Civey-Umfrage gaben fast 54 Prozent der Befragten an, dass sich der CSU-Chef in dem Koalitionsstreit am stärksten durchgesetzt hat. Nur 15,5 Prozent betrachten die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles als Gewinnerin. Noch schlechter kommt Kanzlerin Merkel in der Umfrage weg: Nur sieben Prozent finden, dass sie sich in der Debatte am meisten durchgesetzt hat. Etwas mehr als ein Fünftel der Befragten können gar keinen Sieger erkennen.

Die unter Druck geratene SPD-Chefin Nahles rief ihre Partei zur Unterstützung auf. „Die Entscheidung von Horst Seehofer stellt eine weitere Belastung für die Zusammenarbeit in der Koalition dar. Das müssen wir aushalten“, heißt es in einem Schreiben an die 460 000 SPD-Mitglieder, das unserer Zeitung vorliegt. Nahles schrieb: „Europa steht vor einer Zerreißprobe, es droht ein Handelskrieg mit den USA, die Situation um Syrien erfordert unser ganzes diplomatisches Geschick.“