Goslar. Deutschland und die Türkei wollen künftig wieder enger zusammenarbeiten. Was aus dem inhaftierten Journalisten Deniz Yücel wird, ist unklar.
Für eine Kleinstadt wie Goslar ein eher seltenes Bild, das eine Vielzahl Schaulustiger anlockte: schwarze Limousinen, Polizeieskorte und eine ganze Schar neugieriger Journalisten. Als am Samstag der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu seinen deutschen Kollegen Sigmar Gabriel besuchte, wurde das Gelände um die Goslarer Kaiserpfalz kurzerhand zum Sperrgebiet.
Am Morgen hatten die beiden Minister in Gabriels Privathaus gefrühstückt, ehe sie anschließend gemeinsam den Kaisersaal der Pfalz besichtigten.
Ein durchaus brisantes politisches Treffen: Immer wieder hatte es in jüngster Vergangenheit Streit zwischen beiden Staaten gegeben – unter anderem war es Cavusoglu gewesen, der auf Auftrittsverbote des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan in Deutschland mit Nazi-Vergleichen reagiert hatte. Streit, den beide Seiten mit ihrem Treffen nun beilegen wollten. „Wir sind gut beraten, in Offenheit auf Augenhöhe und mit gegenseitigem Respekt miteinander zu sprechen“, betonte Gabriel. Und dass, auch wenn man, gerade im Bezug auf die politische Entwicklung innerhalb der Türkei, nicht immer einer Meinung sei.
Das Treffen von Gabriel und Cavusoglu in Bildern
Ähnlich sah das auch Cavusoglu: „Es hat Spannungen und sogar Eskalationen gegeben“, räumte der Minister ein. Umso wichtiger sei es deshalb, diese nun zu überwinden und sich auf die Gemeinsamkeiten zu besinnen. Konkret hieße das: eine Wiederaufnahme und Vertiefung wirtschaftlicher Gespräche, Zusammenarbeit bei humanitären Katastrophen wie der Hungersnot im Jemen oder der Flüchtlingskrise und ein gemeinsamer Kampf gegen den Terror, auch mithilfe deutscher Rüstungsexporte an die Türkei. Gleichzeitig forderte Cavusoglu von Deutschland einen härteren Kurs gegenüber der verbotenen türkischen Arbeiterpartei PKK und der Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen, den die Türkei der Beteiligung am gescheiterten Putschversuch vor zwei Jahren bezichtigt.
Nicht einig ist man sich weiterhin, was den in der Türkei inhaftierten deutschen Journalisten Deniz Yücel angeht. Wohl auch, weil Gabriel dessen Schicksal nicht von den mit seinem Kollegen besprochenen Themen abhängig machen will. „Die türkische Justiz legt Wert darauf, dass ihre Entscheidungen nicht mit politischen Entscheidungen vermischt werden. Und das finde ich nachvollziehbar“, so der Außenminister. In einem „Spiegel“-Interview hatte Gabriel zuvor noch erklärt, die Türkei sei zwar Partner Deutschlands in der Nato und im Kampf gegen den Terror, trotzdem würden keine Rüstungsexporte an die Türkei genehmigt, solange sich Yücel in Haft befände.
Kritik bekam Gabriel dafür vom Grünen-Vorsitzenden Cem Özdemir, der Yücel als persönliche Geisel Erdogans betrachtet. „Solange in der Türkei rechtsstaatliche Mindeststandards nicht eingehalten werden und Oppositionelle und kritische Journalisten aus politischen Gründen im Gefängnis sitzen, wird es keine Normalisierung der Beziehungen, keine Ausweitung der Zollunion mit der EU und erst Recht keine Waffenlieferungen geben“, so Özdemir.
Offensichtlich große Begeisterung erntete das Treffen hingegen bei rund 50 Cavusoglu-Anhängern, die sich, in türkische Flaggen gehüllt, vor der Kaiserpfalz versammelt hatten und lautstark „Türkiye“ (zu Deutsch: Türkei) skandierten. Diese begleiteten die Minister den ganzen Weg von der Kaiserpfalz in die Innenstadt über, wo Gabriel und Cavusoglu zum Abschluss ihres Treffens gemeinsam zu Mittag aßen.
Einen Kommentar zum Thema lesen Sie hier: Goslarer Hoffnungszeichen
Christoph Exner