Debatte des Tages. Bei der Verlosung der Presseplätze im NSU-Prozess kommt die türkische „Sabah“ diesmal zum Zug. Mehrere große deutsche Zeitungen haben hingegen kein Glück. Schon drohen neue Streitigkeiten um die Vergabe.
Nach wochenlangen Querelen hat das Oberlandesgericht München die Presseplätze für den NSU-Prozess neu vergeben. Türkische und griechische Medien sind diesmal dabei, überregionale Zeitungen wie die „FAZ“, die „Zeit“ und die „taz“ bekamen bei der Verlosung am Montag hingegen keine festen eigenen Plätze im Gerichtssaal.
Gerichtspräsident Karl Huber übte scharfe Kritik an der Berichterstattung über das Verfahren. „Die Angriffe, denen sich das Gericht ausgesetzt sah, obwohl es sich absolut korrekt verhalten hatte, sind in der deutschen Geschichte ohne Beispiel“, sagte er. Das OLG war in die öffentliche Kritik geraten, weil bei der Vergabe der Presseplätze im ersten Anlauf keine türkischen Medien zum Zuge gekommen waren. Acht von zehn Opfern der dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) zugeschriebenen Morde stammten aus der Türkei.
Schließlich hatte das Bundesverfassungsgericht angeordnet, dass mindestens drei Plätze für ausländische Medien - insbesondere türkische - reserviert werden müssten. Der Senat hatte sich daraufhin für die komplette Neuvergabe der Akkreditierungen entscheiden. Der Prozessbeginn wurde kurzfristig vom 17. April auf den 6. Mai verschoben. Zunächst hatte das Gericht die Presseplätze nach der Reihenfolge der Anmeldungen vergeben. Bei der neuen Vergabe am Montag wurden die Plätze von einem Notar ausgelost; vorher waren Gruppen nach verschiedenen Kategorien gebildet worden. In den Lostöpfen befanden sich diesmal 324 Medien.
Unter den 50 Medien, die laut OLG-Liste einen festen Sitzplatz haben, sind etwa die ARD, der Westdeutsche, der Bayerische und der Südwestrundfunk sowie das ZDF. „Spiegel“, „Focus“ und „Bild“ sind ebenfalls dabei, nicht aber die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ und die „Süddeutsche Zeitung“ - wohl aber das „Süddeutsche Magazin“. Auch die Deutsche Presse-Agentur dpa steht auf der Liste. Diesmal können feste Presseplätze auch anderen akkreditierten Journalisten überlassen werden, so dass ein nachträglicher Tausch möglich ist.
Für türkische Medien waren diesmal vier Plätze reserviert. Zum Zug kamen auch die beiden Zeitungen „Sabah“ und „Hürriyet“. Die „Sabah“ hatte mit ihrer Verfassungsbeschwerde die Neuvergabe ausgelöst.
OLG-Präsident Huber bezeichnete das Losverfahren als angemessen, gerecht und allgemein anerkannt. „Diejenigen, die ohne nachhaltige juristische Durchdenkung Rechtsmeinungen zum Teil ungeprüft weiterverbreitet haben, haben die Aufgabe des Gerichtes nicht verstanden“, kritisierte Huber. „Vorrangige Aufgabe des Gerichtes ist es, eine rechtsstaatlich ordnungsgemäße, revisionssichere Strafverhandlung durchzuführen.“
„taz“-Chefredakteurin Ines Pohl schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter umgehend, man prüfe, ob man gegen die Platzvergabe klage, um eine Videoübertragung für Journalisten zu erwirken. Die „taz“ hatte im ersten Anlauf einen Platz ergattert und ging nun leer aus.
Die Auslosung wurde von einem Notar unter Ausschluss der Öffentlichkeit vorgenommen. Der frühere SPD-Spitzenpolitiker Hans-Jochen Vogel war als Zeuge dabei. Diesmal hatte das Gericht die 50 festen Plätze in drei verschiedene Kontingente aufgeteilt: für Nachrichtenagenturen (5 Plätze), ausländische Medien (10 Plätze) und inländische Medien (35 Plätze). dpa
Diese Medien werden den NSU-Prozess im Gerichtsaal verfolgen
Auf der Listen derjenigen, die zum Zug kamen, stehen die folgenden Medien - in der Reihenfolge, in der die jeweiligen Lose innerhalb der verschiedenen Kontingente (Nachrichtenagenturen, ausländische Medien und deutsche Medien) gezogen wurden. Feste Plätze können diesmal allerdings auch an andere Journalisten weitergegeben werden.
1. Radio Dienst | 11. Radio Lora München (polnischsprachige Redaktion) | 21. BR | 31. Oberhessische Presse Marburg | 41. Thüringer Tageszeitung „Freies Wort“ |
2. Rufa Rundfunk-Agenturdienst | 12. Svenska Dagbladet | 22. SWR | 32. Stuttgarter Zeitung | 42. Thüringer Landeszeitung |
3. IHA (Ihlas Haber Ajansi, Türkei) | 13. France 2 Berlin | 23. TOP FM | 33. Lübecker Nachrichten | 43. Viola Volland (freie Journalistin) |
4. dpa | 14. Niederländischer Rundfunk | 24. Charivari | 34. Focus | 44. RTL2 |
5. dpa English Services GmbH | 15. Neue Züricher Zeitung | 25. Radio Lotte Weimar | 35. Stuttgarter Nachrichten - Sonntag aktuell | 45. Offenbach Post |
6. ERT (griechischer Rundfunksender - Hörfunk/Fernsehen) | 16. ARD | 26. BILD | 36. Süddeutsches Magazin | 46. ZDF |
7. Al Jazeera (Büro Istanbul) | 17. WDR | 27. Allgäuer Zeitung | 37. Der Spiegel | 47. Hallo-muenchen.de |
8. Sabah | 18. Ebru TV | 28. Passauer Neue Presse | 38. Tom Sundermann (freier Journalist) | 48. Hendrik Puls (freier Journalist) |
9. Hürriyet | 19. Kabel 1 | 29. Pforzheimer Zeitung | 39. Freie Presse | 49. Junge Welt |
10. Evrensel (Tageszeitung) | 20. Deutschlandfunk | 30. Sächsische Zeitung | 40. Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung | 50. Brigitte |
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