Berlin. Putin-Vertrauter Medwedew schlägt die Aufteilung der Ukraine vor. Lesen Sie hier, warum die USA und Kanzler Scholz das ernstnehmen.

Der Kreml will den Ukraine-Krieg "einfrieren". Dann würde mitten durch die Ukraine eine Demarkationslinie gehen – wie zwischen Nord- und Südkorea. Der Vize-Chef des russischen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew, hat solche Befürchtungen im Westen jetzt bestätigt. Auf Telegram schlug der Vorgänger von Kremlchef Wladimir Putin die Zerschlagung des Landes vor: in einen russischen und einen europäischen Teil.

"Das würde Putins Raubzug nur legitimieren", empörte sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Interview mit dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Russland müsse verstehen, "dass es nicht darum gehen kann, eine Art kalten Frieden zu schließen – indem etwa der nun bestehende Frontverlauf zur neuen "Grenze" zwischen Russland und der Ukraine wird."

Medwedew ist berüchtigt für seine Verbalattacken und Drohungen

Medwedew ist zwar für seine seltsamen, oft auch vulgären Rundumschläge bekannt. Mal drohte er mit Raketen auf Berlin, mal forderte er einen Mordanschlag auf Präsident Wolodymyr Selenskyj in Kiew.

Und doch gibt er womöglich ein tatsächliches Szenario Russlands wieder. Das befürchten zumindest auch die USA, wie jüngst das Magazin "Politico" berichtete. Demnach werde in Washington die Möglichkeit diskutiert, dass der Krieg in einen eingefrorenen Konflikt münden könnte, der Jahre, Jahrzehnte andauern könnte. Praktisch hieße das:

  • Die Kämpfe hören auf
  • Es gibt keinen erklärten Sieger
  • Nur die Macht des Faktischen mit erzwungenen neuen Grenzen

Unter einem fairen Frieden versteht Scholz was anderes. "Voraussetzung dafür ist der Rückzug von russischen Truppen." Danach sieht es aber nicht aus. Putins Truppen haben in Erwartung einer Gegenoffensive in den letzten Monaten massive Verteidigungslinien aufgebaut, insbesondere im Süden der Ukraine und auf der Krim. Das könnte Sie auch interessieren: London: Ukraine setzt im Krieg umstrittene Uranmunition ein

Die Offensive ist vielleicht für lange Zeit die letzte Chance der Ukraine, die besetzten Gebiete zurückzuerobern. Scheitert sie, halten die russischen Linien Stand, droht tatsächlich ein eingefrorener Konflikt. Lesen Sie auch: „Illner": Sigmar Gabriel mit düsterer Prognose zum Krieg

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Medwedews "Vorschlag" klingt wie eine Spielart zaristischer Großmachtpolitik aus dem 18. Jahrhundert: Tatsächlich wurde das polnisch-litauische Staatsgebiet schrittweise in den Jahren 1772, 1793 und 1795 unter Russland, Preußen und Österreich aufgeteilt. Um die Definition von "Interessensphären" ging es auch im geheimen "Zusatzprotokoll" zum Hitler-Stalin-Pakt vom August 1939. Demnach sollten Finnland, Estland, Lettland und Ostpolen bis Brest-Litowsk im sowjetischen Einflussbereich liegen, Polen bis Brest-Litowsk und Litauen in dem von Nazi-Deutschland.

Medwedew skizzierte drei Varianten. In dem von ihm bevorzugten Szenario würden westliche Regionen der Ukraine mehreren EU-Staaten zugeschlagen und die östlichen wiederum Russland. Die Einwohner der zentralen Gebiete würden für den Beitritt zu Russland stimmen.

Medwedew: "Kann schnell in einen vollwertigen dritten Weltkrieg übergehen"

Variante zwei: Sollte ein unabhängig gebliebener Teil der Ukraine der EU oder der Nato beitreten, sei mit einem Wiederaufflammen der Kampfhandlungen zu rechnen. "Mit der Gefahr, dass es schnell in einen vollwertigen dritten Weltkrieg übergehen kann", drohte Medwedew.

Eingespieltes Team: Russlands Präsident Wladimir Putin (l.) und der Vize-Chef des Sicherheitsrats, Dmitri Medwedew.
Eingespieltes Team: Russlands Präsident Wladimir Putin (l.) und der Vize-Chef des Sicherheitsrats, Dmitri Medwedew. © dpa | Dmitry Astakhov

Variante drei: Bei einem "temporär" annehmbaren Szenario würde die Ukraine im Zuge des Krieges vollständig zwischen EU-Ländern und Russland aufgeteilt. Währenddessen würde in Europa eine ukrainische Exil-Regierung gebildet. Die Ukraine bezeichnete der Russe als "sterbenden Staat", der infolge eines verlorenen militärischen Konflikts zerfallen werde.

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Putin setzt darauf, dass die Menschen im Westen kriegsmüde werden

Medwedews neuester Vorstoß unterstreicht die langfristige Strategie Putins: Er setzt darauf, dass die Menschen in den westlichen Ländern kriegsmüde werden und von ihren Politikern zunehmend Verhandlungen fordern. Unterfüttert werden derartige Überlegungen durch die Einschätzung des deutschen Auslandsgeheimdienstes. So sieht der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Bruno Kahl, keine Anzeichen für eine Schwächung Putins. „Russland ist nach wie vor in der Lage, einen Krieg auf der langen Distanz gesehen zu führen", betonte Kahl.

Einzelne EU-Regierungschefs scheinen bereits anfällig für Putins Narrativ. So unterstrich Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban, dass die Ukraine den Krieg in ihrem Land nicht gewinnen könne. Zunächst komme es darauf an, einen Waffenstillstand zu erreichen. Danach müssten die Vereinigten Staaten und ihre Partner in Europa ein neues Sicherheitsabkommen mit Russland schließen. Lesen Sie auch: Viktor Orban: Woher kommt seine Nähe zu Wladimir Putin?

Scholz ist gegen einen unfairen Frieden und will mit Putin sprechen

Der russischen Nachrichtenagentur RIA sagte Medwedew aber auch, der Ukrainekrieg könnte sich in einem Auf und Ab noch lange hinziehen. So könne es "drei Jahre Waffenstillstand geben, dann wieder zwei Jahre Konflikt und dann wird sich alles wieder wiederholen." Kurzum: Er selbst schätzt die Realisierungschance einer Teilung der Ukraine offensichtlich als gering ein.

Scholz beabsichtigt nun nach eigenen Worten, "zu gegebener Zeit auch wieder mit Putin zu sprechen". Ausdrücklich ließ der Kanzler die Frage offen, was mit der Krim passieren würde, die seit 2014 von Russland besetzt ist. "Es ist nicht unsere Sache, anstelle der Ukraine zu formulieren, welche Vereinbarungen sie treffen will." Auch interessant: Carlo Masala: „Die Ukrainer bereiten das Schlachtfeld vor"

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