Peine. Der Archäologe Thomas Budde macht bei Grabungen auf dem Langkopf-Gelände interessante Entdeckungen. Ein Fund führt gar nach Paris.

Der Silo mitsamt den anderen Gebäuden der Langkopf-Mälzerei nahe dem Bahnhof in der Peiner Innenstadt – jahrzehntelang haben sie bei Zugreisenden einen prägnanten Eindruck hinterlassen, waren sie doch so eine Art „Visitenkarte“ der Stadt. Seit fast neun Jahren gibt es nach dem Abriss diese „Skyline“ nicht mehr, aber Besonderes bietet das 12 000 Quadratmeter große brachliegende Gelände am Friedrich-Ebert-Platz trotzdem – dank der Entdeckungen, die der Archäologe Thomas Budde an das Tageslicht befördert hat.

Ausschnitt aus der Flurkarte H. F. Deichmans von 1787 mit dem „Sackpfeifenteich“ (roter Pfeil).  Norden ist links. Auf dem heutigen Friedrich-Ebert-Platz, dem ehemaligen Ziegenmarkt, gab es damals eine noch größere Sandgrube.
Ausschnitt aus der Flurkarte H. F. Deichmans von 1787 mit dem „Sackpfeifenteich“ (roter Pfeil).  Norden ist links. Auf dem heutigen Friedrich-Ebert-Platz, dem ehemaligen Ziegenmarkt, gab es damals eine noch größere Sandgrube. © Stadtarchiv Peine

Denn anhand dieses ehemaligen Mälzereigeländes zwischen Braunschweiger und Neuer Straße habe sich „erneut gezeigt, dass das mittelalterliche Peine nicht an der Südgrenze der Altstadt endet“, fasst der Abbenser zusammen. Zu verdanken hat er diese Erkenntnis einigen besonderen Funden – in diesem Artikel verrät Budde, um welche es geht: Einer führt gar in die französische Hauptstadt Paris. Als bisher südlichstes Zeugnis der Töpfer-Vorstadt Gröpern wurde gegenüber dem Bahnhof eine ausgedehnte Abwurfhalde der mittelalterlichen Töpfereien entdeckt, schreibt er. Und weiter: „Sie war durch pechschwarzes, holzkohlehaltiges Erdreich geprägt, wie es typisch für die spätmittelalterlichen Töpfereien im Südosten der Altstadt ist. Durch die Grabungen von 2008 (City-Galerie) und 2014 (Ausbau Schützen- und Glockenstraße) konnten bereits größere Teile dieser einst bedeutenden Töpfereien untersucht werden. Im Erdreich verteilt fanden sich auch in der nun entdeckten Halde Kermikscherben von grauer Irdenware und frühem Steinzeug, Töpfertonreste und weitere Überreste der Produktion.“

Die in Peine gefundene Fahrradplakette aus Paris von 1904.
Die in Peine gefundene Fahrradplakette aus Paris von 1904. © Thomas Budde

Die Fläche mache maximal 1000 Quadratmeter auf dem Baugelände aus. Der Investor Kervita als jetziger Eigentümer des Langkopf-Geländes wollte sie präventiv durch Budde untersuchen lassen, soweit vom Bau betroffen, schreibt dieser, ist nun aber bekanntlich aus dem Projekt ausgestiegen. Wie es weitergehe, sei derzeit noch nicht bekannt.

Archäologe findet in Peine ältesten Nachweis einer Kiesgrube weit und breit

Bei den Baggerarbeiten zeigte sich laut dem Archäologen, dass die Töpfereihalde in einer Senke liegt, die hangartig steil nach Norden zum Bahnhof abfällt. „Hanggefälle ist ohnehin gegeben, da wir uns hier auf dem westlichen Ausläufer des ,Sackpfeifenberges‘ befinden (Sackpfeife = älter für Dudelsack). Aber der Steilabfall lässt sich nur durch früheren Sand- und Kiesabbau erklären, der den Funden zufolge schon im späten Mittelalter begonnen haben muss. Es handelt sich somit um den ältesten Nachweis einer Kiesgrube weit und breit. In der Peiner Altstadt wurde schon im Mittelalter viel Sand gebraucht, um den teils moorigen Untergrund aufzufüllen. Auch nach den vielen Stadtbränden wurde nachweislich immer wieder Sand beziehungsweise Kies auf dem planierten Brandschutt angefüllt. Da lag es nahe, sich am Nordhang des Sackpfeifenbergs direkt südöstlich der Stadt zu bedienen.“

Einer der archäologischen Suchschnitte mit dem deutlichem Geländeabfall der ehemaligen Kiesgrube nach Norden. Im Hintergrund die Rückseite des Peiner Bahnhofs.
Einer der archäologischen Suchschnitte mit dem deutlichem Geländeabfall der ehemaligen Kiesgrube nach Norden. Im Hintergrund die Rückseite des Peiner Bahnhofs. © Thomas Budde

Recherchen hätten ergeben, dass diese Kiesgrube 1787 auf der im Stadtarchiv aufbewahrten Flurkarte von H. F. Deichmann noch eingetragen ist. Da sie als „Sackpfeifenteich“ bezeichnet ist, muss sie im 18. Jahrhundert mit nachsickerndem Grundwasser gefüllt gewesen sein, vermutet Budde. Im 19. Jahrhundert müsse sie zugeschüttet worden sein.

Ein Fahrrad aus dem Paris des frühen 20. Jahrhundert in Peine?

Der größere Teil der Suchschnitte war Budde zufolge jedoch archäologisch unauffällig oder modern gestört durch die Mälzereianlagen. Die Besiedlung begann frühestens im 18. Jahrhundert. Hier könne daher frei gebaut werden. Es bleibe aber noch ein kurioser Einzelfund aus der Nähe der Neuen Straße zu erwähnen: eine kunstvoll geprägte Messingplakette mit der Aufschrift: „1904. MAX KRUGER. 13 Rue Jules-Cesar Paris“. Thomas Budde schreibt dazu: „Es handelt sich, wie sich bald herausstellte, um eine Fahrradmarke, die ehemals angebracht war vorn auf dem Steuerrohr zwischen Lenker und Gabel. In der Rue Jules-Cesar 13 in Paris muss es demnach 1904 einen Fahrradhändler oder Hersteller gegeben haben.“

Zwar hat der Investor (Kervita-Gruppe) sein Vorhaben aufgegeben, auf dem Langkopf-Mälzerei-Gelände in der Peiner Innenstadt einen Wohn- und Pflegekomplex zu errichten. Aber archäologisch ist das Areal sehr aufschlussreich.
Zwar hat der Investor (Kervita-Gruppe) sein Vorhaben aufgegeben, auf dem Langkopf-Mälzerei-Gelände in der Peiner Innenstadt einen Wohn- und Pflegekomplex zu errichten. Aber archäologisch ist das Areal sehr aufschlussreich. © FMN | Harald Meyer

Wie nun diese Plakette nach Peine gelangt sein könnte und wer Max Kruger war, ließ sich bisher nicht klären, berichtet der Archäologe. An der besagten Adresse befinde sich heute, in einem recht alten Gebäude, das „Hotel de Marceau Bastille“. Eine E-Mail an dieses Hotel blieb leider unbeantwortet, so Budde.

Unbeantwortet bleibt hingegen die Zukunft des Langkopf-Geländes: Zwar hat die Kervita-Gruppe mit Zentrale in Hamburg vor rund fünf Jahren dieses Areal erworben. Doch inzwischen hat sich der Investor von seinem Vorhaben, dort einen Wohn- und Pflegekomplex zu errichten, verabschiedet – ein mehr als 20-Millionen-Euro-Vorhaben.

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