Braunschweig. Braunschweig-Wolfsburg ist vom Warnstreik im öffentlichen Nahverkehr besonders stark betroffen – die wichtigsten Fragen und Antworten.

Nach dem vorzeitigen Ende des Streiks bei der Bahn droht vielen Fahrgästen schnell wieder Ungemach. Am Freitag kommt es erneut zu Einschränkungen. Im Fokus steht dieses Mal der Nahverkehr. Und die Region Braunschweig-Wolfsburg ist besonders betroffen.

Am Montagnachmittag hatte die Gewerkschaft Verdi zu Warnstreiks im öffentlichen Nahverkehr aufgerufen. Erneut müssen sich Fahrgäste auf Einschränkungen bei Bus und Bahn einstellen. Betroffen sind laut Verdi sechs kommunale Unternehmen in Niedersachsen.

Wer ist in unserer Region betroffen? Auf Nachfrage erklärte Verdi, dass die Mitarbeiter der Braunschweiger Verkehrs-GmbH (BSVG), der Wolfsburger Verkehrsgesellschaft (WVG), Stadtbus Goslar sowie der Göttinger Verkehrsbetriebe ihre Arbeit niederlegen werden. Alle anderen Verkehrsbetriebe zwischen Harz und Heide sind also nicht betroffen. Auch so kommen aber mehr als 2000 Beschäftigte zusammen. Etwa ein Viertel von ihnen will an der zentralen Kundgebung in Hannover teilnehmen, sagte Verdi-Sprecher Julian Fricke.

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Braunschweig und Wolfsburg sind vom Streik im ÖPNV betroffen

Neben den vier Betrieben aus unserer Region wollen die Beschäftigten der Üstra Hannover sowie von Osnabus und SWO-Mobil in Osnabrück streiken. Die Gewerkschaft ruft insgesamt 4500 Arbeitnehmer in Niedersachsen zum Warnstreik auf.

Die BSVG teilte mit, dass am Freitag von Betriebsbeginn bis Betriebsende Busse und Straßenbahnen in Braunschweig im Depot bleiben. Es werde keinen Linienverkehr der BSVG geben, betroffen sind alle Stadtbahnlinien sowie alle Buslinien mit einer 400er-Nummer. Dies gelte auch für die Anruf-Linien-Taxis (ALT). Der Service-Point am Hauptbahnhof und das Service-Center am Bohlweg bleiben ebenfalls geschlossen. Auch die Service-Hotline ist nur eingeschränkt von 6 bis 14 Uhr erreichbar.

Auch der Fahrbetrieb der WVG in Wolfsburg fällt dem Streik zum Opfer. Die Subunternehmen sind voraussichtlich nicht vom Streik betroffen, daher können die von ihnen befahrenen Linien bedient werden, so die WVG.

Auf der Weddeler Schleife fahren die Ersatzbusse

Was ist mit den Ersatzbussen auf der Weddeler Schleife? Auf der Bahnstrecke Weddeler Schleife zwischen Braunschweig und Wolfsburg gibt es noch bis Mitte Ende März wegen Bauarbeiten einen Schienenersatzverkehr per Bus. Dieser ist vom Warnstreik am Freitag nicht betroffen, wie ein Sprecher des Bahnunternehmens Metronom auf Anfrage erklärte. „Wir haben einen eigenen Tarif. Wir haben mit Verdi nichts zu tun“, sagte der Sprecher. Der Ersatzverkehr fährt also wie geplant. „Es kann aber sein, dass wir durch den Verdi-Warnstreik mehr Fahrgäste als sonst in unseren Bussen haben“, sagte der Sprecher.

Ist der Streik eine Entschuldigung für eine Verspätung bei der Arbeit? Nein, Berufstätige dürfen nicht einfach zu spät zur Arbeit kommen. Arbeitnehmer tragen das sogenannte Wegerisiko und sind selbst dafür verantwortlich, rechtzeitig im Betrieb zu erscheinen. Andernfalls können Gehaltseinbußen oder Sanktionen drohen. Arbeitgeber können Beschäftigte auch abmahnen, wenn diese zu spät oder gar nicht im Unternehmen erscheinen. Das ist zumindest immer dann möglich, wenn der Streik – wie auch in dieser Woche – rechtzeitig vorher angekündigt worden ist.

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Für Pendler heißt das: Am Freitag nicht auf Bus und Bahn verlassen, sondern Alternativen suchen. Dabei muss man in der Regel auch höhere Kosten in Kauf nehmen, etwa weil man mit dem Auto zur Arbeit fährt. Auf Schüler in Niedersachsen hat der Streik keine Auswirkungen, denn es gibt ja Zeugnisferien.

Verdi: Die Fahrer gehen auf dem Zahnfleisch

Warum ist die Umweltbewegung Fridays for Future dabei? Unterstützt wird der Verdi-Warnstreik von der Umweltbewegung Fridays for Future (FFF). Gemeinsame Aktionen beider Organisationen zum Thema ÖPNV hatte es in der Vergangenheit schon öfter gegeben. FFF setzt sich vor allem für bessere Arbeitsbedingungen und für stärkere Investitionen ein, um den öffentlichen Verkehr als Alternative zum Auto attraktiver zu machen. FFF ist am Freitag auch bei der zentralen Kundgebung in Hannover dabei und will eigene Flugblätter an Passanten verteilen. Die Umweltbewegung fordert von der Bundesregierung bis 2030 zusätzliche Investitionen in den ÖPNV von 16 Milliarden Euro im Jahr.

Was sagt Verdi? Julian Fricke vom Verdi-Bezirk Region Süd-Ost-Niedersachsen stellte fest, dass es dieses Mal nicht um den Lohn geht. „Wir wollen die Arbeitsbedingungen verbessern, um den Job attraktiver zu machen“, sagte er. „Die Leute gehen auf dem Zahnfleisch.“ Die vielen Spät- und Wochenenddienste der Bus-, U- und Straßenbahnfahrer sollen als Schichtdienst anerkannt werden. Das würde bis zu vier Urlaubstage mehr bringen. Zusätzlich fordert Verdi drei weitere Urlaubstage mehr.

Die Bus- und Bahnfahrer hätten eine hohe Verantwortung. Der Fachkräftemangel sei so groß, die Arbeitsbedingungen so „katastrophal“, dass sich etwas ändern müsse, sagte Fricke. „Wir brauchen für die Verkehrswende mehr Leute“, sagte er. Dass der GDL-Streik gerade erst zu Ende sei, sei reiner Zufall. „Ich kann den Unmut der Menschen verstehen, dass nun schon der nächste Streik folgt. Aber er ist unser einziges Mittel.“

Arbeitgeber: Tariferhöhung reicht mehr als aus

Was sagen die Arbeitgeber? Beim Kommunalen Arbeitgeberverband Niedersachsen stoßen der Streik und dessen Hintergrund auf Unverständnis. Hauptgeschäftsführer Michael Bosse-Arbogast sagte unserer Zeitung: „Wir werden ab März die höchste Entgelterhöhung in der Geschichte haben. Die Fahrerinnen und Fahrer erhalten eine Erhöhung von mehr als 13 Prozent.“ Bis dahin gebe es den vollen Inflationsausgleich in Höhe von 3000 Euro. „Die Tinte unter diesen Vertrag ist noch nicht mal richtig trocken, da ruft Verdi schon wieder zum Streik auf. Denn all das scheint nicht zu reichen“, sagte Bosse-Arbogast.

In einem einzigen Punkt stimmen Verdi und der Arbeitgeberverband überein: Auf dem Arbeitsmarkt finden sich kaum noch Fahrer. „Schon jetzt fehlen welche“, so Bosse-Arbogast. Zur Forderung nach zusätzlichem Urlaub sagte er: „Die Verkehrswende klappt nicht mit weniger Arbeit.“ Schon jetzt würden Berufseinsteiger als Fahrer ohne eine benötigte Ausbildung, sondern lediglich mit einem Personenbeförderungsschein als Anfänger etwa 40.000 und mit Erfahrung etwa 50.000 Euro pro Jahr verdienen – plus betrieblicher Altersvorsorge.

Was sagt der Fahrgastverband Pro Bahn? Auch beim Fahrgastverband Pro Bahn Niedersachsen hält sich das Verständnis für den Streik in Grenzen. Sprecher Malte Diehl sagte zum zeitlichen Zusammenhang mit dem GDL-Streik auf Anfrage: „Das ist sehr misslich in dieser kurzen Folge und ein erheblicher Ansehensverlust für den ÖPNV.“

Diehl kritisierte, dass die Deutsche Bahn beim GDL-Streik einen Notfallplan „zusammengeschustert“ habe, die kommunalen Verkehrsbetriebe aber nicht. „So etwas muss es auch im ÖPNV geben“, forderte er. Die Straßenbahnen in Braunschweig müssten statt alle zehn Minuten mindestens alle 30 oder 40 Minuten fahren. Anders als beim GDL-Streik würde Verdi aber nicht flächendeckend, sondern punktuell zum Streik aufrufen. Außerdem sei der Streik am Freitag bereits am Montag angekündigt worden – und nicht wie bei der GDL erst am Tag zuvor.