Hannover. Am 29. Februar ist der erste Corona-Fall in Niedersachsen bestätigt worden. Wie geht es dem Land ein halbes Jahr später? Eine Bilanz.

Eigentlich hat alles mit guter Laune und dem Feiern angefangen - und dem Reisen. Die Coronavirus-Pandemie machte es möglich, dass fast alle plötzlich eine Meinung zum Karneval hatten. Einen ersten großen Schub bekam die Pandemie im Februar mit einer Karnevalsfeier im nordrhein-westfälischen Kreis Heinsberg. In Niedersachsen dauerte es noch ein paar Tage, bis der erste Covid-19-Fall bestätigt wurde - bis zum 29. Februar: Betroffen war ein 68 Jahre alter Mann aus Uetze bei Hannover, der mit seiner Frau nach Südtirol verreist war und sich danach mit den örtlichen Schützen traf. Die Folge war eine Reihe von Quarantäne-Fällen. Und dann landesweiter Lockdown, Homeoffice und Hamstern im Supermarkt.

Das Reisen ist inzwischen wieder ein großes Thema bei der Bekämpfung der Pandemie, es gibt neue Reisewarnungen, Reiserückkehrer sollen sich zumindest bis jetzt auf das Virus testen lassen. Und auch der Karneval ist wieder im Gespräch: Soll es die nächste närrische Session überhaupt geben? Schützenfeste wurden ohnehin weitgehend abgesagt. Auch die Folgen für die Wirtschaft sind massiv. Ein Überblick, wie Niedersachsen sechs Monate der Pandemie bewältigt hat.

Wo steht Niedersachsen ein halbes Jahr nach Ausbruch der Pandemie?

Viele Menschen wünschen sich erkennbar, zu einem für sie normalen Leben zurückkehren zu können. Denn trotz aller öffentlichen Aufrufe und Mahnungen: Die Abstandsregeln sind bei Feiern schnell vergessen, die Maskenpflicht etwa in öffentlichen Verkehrsmitteln auch. Das hat Folgen: Nach dem Entwurf für einen neuen Bußgeldkatalog müssen Maskenverweigerer in Niedersachsen bald deutlich höhere Strafen als bisher bezahlen - vorgesehen sind bis zu 150 Euro. In der Region um Braunschweig kamen bereits mehr als eine Millionen Euro an Bußgeldern zusammen.

Denn die Infektionszahlen steigen auch in Niedersachsen wieder schneller, bis Dienstag wurden landesweit 16.223 bestätigte Fälle gemeldet - 135 mehr als am Tag zuvor. Die Zahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen stieg auf 7,9, noch vor wenigen Wochen lag die sogenannte Inzidenz deutlich niedriger. Dennoch steht Niedersachsen im bundesweiten Vergleich gut da: Zwar gibt es in Mecklenburg-Vorpommern mit unter 1000 bestätigten Fällen weniger Infektionen, aber dort leben deutlich weniger Menschen. In den einwohnerstärkeren Bundesländern Bayern (über 55.000 Fälle) und Nordrhein-Westfalen (fast 57.000) gibt es mehr Infektionen, aber auch die Inzidenz liegt wesentlich höher.

Welche Auflagen gibt es nach Lockdown und langsameren Lockerungen?

Immer mehr Schausteller sind in Existenznot, aber Schulen starten im Prinzip im Regelbetrieb. Clubs und Diskotheken bleiben geschlossen, aber Hotels, Ferienwohnungen und Campingplätze dürfen öffnen. Allerdings unter Auflagen - es gelten Abstandsregeln, es muss gelüftet und die Daten der Gäste müssen erhoben werden. Gruppen von bis zu 10 Menschen dürfen sich treffen, Feste wie Taufen, Hochzeiten sowie Beerdigungen sind mit bis zu 50 Menschen möglich. In einigen Bundesländern gelten keine Kontaktbeschränkungen mehr.

Sorgen bereitet der Beginn des neuen Schuljahres: Nach Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissen beklagen Lehrer die hygienische Ausstattung der Schulen als unzureichend. Eine Maskenpflicht gilt nur außerhalb der Klassenräume, wenn der Abstand von 1,50 Metern nicht eingehalten werden kann. Auf Mindestabstand im Unterricht wird verzichtet, dafür soll es feste Lern- und Bezugsgruppen geben, Schülergruppen sollen sich nicht wild mischen. Lauter wird der Ruf nach einer Maskenpflicht auch im Unterricht. Andernfalls sei mit „verheerenden größeren Ausbrüchen“ zu rechnen, sagte der Kinder- und Jugendmediziner Thomas Buck.

Wie ist die Lage der Wirtschaft?

Vielen Firmen geht es schlecht, Autohersteller und -zulieferer kämpfen mit dem zwischenzeitlichen Stillstand, der Tourismus bricht ein, das Armutsrisiko wächst und die niedersächsischen Schulden steigen schneller denn je. Auch die Arbeitslosigkeit nimmt zu, ebenso die Kurzarbeit. Doch der Anstieg der Kurzarbeit war im Juli nicht mehr so steil wie in den ersten Krisenmonaten. Insgesamt waren im vergangenen Monat in Niedersachsen 269.580 Menschen arbeitslos gemeldet - 1,8 Prozent mehr als im Juni, aber 21,2 Prozent mehr als vor einem Jahr. Immerhin: Die Bereitschaft von Unternehmen, neues Personal einzustellen, wächst langsam wieder.

Wie geht es in Niedersachsen erwartungsgemäß weiter?

Das ist schwer zu sagen. Vor Mitte September dürfte es aber keine weiteren Veränderungen oder gar Lockerungen geben, sagte ein Sprecher des niedersächsischen Gesundheitsministeriums. „Da fahren wir auf Sicht.“ Frühestens zehn Tage nach Schulbeginn dürfte zudem erkennbar werden, ob der Regelbetrieb in den Schulen die Infektionszahlen ansteigen lässt - rechnen müssen Schüler, Eltern und Lehrer damit, dass die Schulen im Infektionsfall genauso schnell schließen wie sie geöffnet wurden. Seit in einer Reihe von Bundesländern das neue Schuljahr begonnen hat, gab es immer wieder Meldungen über erneute, kurzfristige Schließungen wegen Corona-Fällen.

Fest steht: Niedersachsen will geplante Lockerungen um mindestens zwei Wochen verschieben - also bis Mitte September. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte kürzlich, je nach Lage werde es möglicherweise auch länger dauern. Bei den Lockerungen geht es beispielsweise um die erlaubte Zahl von Menschen bei Feiern.

Wie entwickelt sich die Lage in Bremen?

Der Zwei-Städte-Staat ist geografisch von Niedersachsen umschlossen - auch deshalb geht es um ein möglichst abgestimmtes Vorgehen mit dem benachbarten Flächenland. Die erste Corona-Infektion wurde am 29. Februar gemeldet. In den Wochen und Monaten darauf verbreitete sich das Virus immer weiter. Bislang registrierten die Behörden 1915 bestätigte Fälle und 56 Todesfälle (Stand: 24. August). Die Zahl der Neuinfektionen ging zwar im Juni deutlich zurück, stieg aber in der Urlaubs- und Ferienzeit wieder. Sorgen bereitet den Behörden die „unbekümmerte und bierselige“ Feierlaune vieler Menschen in der Party- und Kneipengegend „Viertel“. Polizei und Ordnungsamt mussten dort einschreiten. Neu ist: Maskenverweigerer müssen in Geschäften sowie Bussen und Bahnen mit einem Bußgeld von 50 Euro rechnen.

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