Braunschweig. Eine Umfrage bei den Kommunen in unserer Region ergibt, dass mehr als 6000 Verstöße geahndet wurden.

Beim Spaziergang kommen mir immer wieder Personen entgegen, die nicht ausweichen. Auch bei den Joggern ist das zu sehen. Da soll ich dann Bußgeld bezahlen, obwohl ich mich beispielsweise beim Spazierengehen richtig verhalte. Außerdem kann ich mich doch nicht jedes Mal mit meinen Mitmenschen anlegen. Grundsätzlich bin ich mit den Bußgeldern einverstanden, da die Mitmenschen ja immer egoistischer werden und sich nicht um Vorgaben kümmern...

Das schreibt Sabine Quelle aus Braunschweig.

Zum Thema recherchiert
hat Sarah Franke.

Vehement weigert sich der Mann, in dem Geschäft eine Maske aufzusetzen. Er will den Laden aber auch nicht verlassen. Von diesem Vorfall berichtet Thomas Figge, Sprecher der Polizeiinspektion Wolfsburg/Helmstedt. Am Ende mussten seine Kollegen die Situation unter Kontrolle bringen. Klarer Fall: Der Übeltäter hat gegen die Corona-Verordnung des Landes Niedersachsens verstoßen. Ihm droht also ein Bußgeld.

In dem Fall, den Leserin Sabine Quelle schildert, hätten die Beamten aber sicher Nachsicht. Wer beispielsweise nur einmal vergessen hat, die Maske aufzusetzen und sich einsichtig zeigt, müsse nicht automatisch mit einer Strafzahlung rechnen. „Wie es in den Wald hineinschallt, so schallt es auch wieder heraus“, sagt Figge. Die Beamten suchten bei Verstößen erst das Gespräch, bevor sie ein Ordnungswidrigkeitsverfahren einleiteten.

Rein rechnerisch knapp einen Euro hat jeder Einwohner unserer Region bisher allerdings schon für Verstöße gegen die Corona-Regeln bezahlt. Mittlerweile belaufen sich die von den Städten und Landkreisen veranschlagten Bußgelder nämlich auf mehr als 1,1 Millionen Euro. Das ergab eine Umfrage unserer Zeitung bei den Kommunen.

Spitzenreiter Braunschweig, bei Landkreisen Goslar vorn

Spitzenreiter mit 1558 verhängten Bußgeldern bei den Städten ist Braunschweig. Bei den Landkreisen steht Goslar auf Platz ein: 390 Bußgelder sind dort verhängt worden. Und wofür? Übereinstimmend berichten alle Städte und Landkreise der Region davon, dass besonders häufig gegen das Gebot zum Mindestabstand verstoßen wird oder Menschen zu große Gruppen bilden. Die Städte Braunschweig und Wolfsburg geben an, dass in der Zeit, in der Spiel- und Sportplätze dicht waren, trotzdem einige Menschen unerlaubt die Flächen betraten. Vielleicht ein Grund: In der Stadt hat nun einmal nicht jeder seinen eigenen Garten, in dem er spielen und trainieren kann.

Wolfsburg sowie die Landkreise Helmstedt und Peine haben häufig Fälle dokumentiert, in denen jemand seine Maske nicht tragen wollte. Außerdem habe der Landkreis Helmstedt Bußgelder verhängt aufgrund des „Betriebs von Gewerbebetrieben ohne Einhaltung eines Hygienekonzepts“.

Am teuersten ist es im Landkreis Goslar. Hier werden im Schnitt 290,21 Euro pro Corona-Bußgeldbescheid fällig. Danach folgen der Landkreis Peine (230,77 Euro) und die Stadt Braunschweig (230,06 Euro). Im Landkreis Helmstedt müssen Corona-Sünder im Schnitt nur 126,67 Euro zahlen, im Landkreis Wolfenbüttel sogar noch weniger: 83,77 Euro. Bei all den genannten Summen handelt es sich um rechnerische Mittelwerte, die tatsächliche Höhe des Bußgelds im Einzelfall variiert natürlich je nach Schwere des Vergehens.

Niedersachsen will bald neuen Bußgeldkatalog vorstellen

Ein neuer niedersächsischer Corona-Bußgeldkatalog befindet sich gerade in Abstimmung, berichtet Oliver Grimm, Pressesprecher des Sozialministeriums, auf Anfrage. Ein konkretes Datum konnte der Sprecher im Gespräch mit unserer Zeitung aber noch nicht nennen. „Aber nur, weil es gerade keinen aktuellen Bußgeldkatalog gibt, heißt das nicht, dass jeder machen kann, was er will“, sagt Grimm. So ein Katalog sei nur eine Orientierung – wie hoch ein Bußgeld tatsächlich ausfalle, liege im Ermessen der jeweiligen kommunalen Ordnungsbehörden. In der niedersächsischen Corona-Verordnung steht nur, dass Ordnungswidrigkeiten mit einer Geldbuße von bis zu 25.000 Euro geahndet werden würden. Laut Informationen der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ soll der künftige niedersächsische Bußgeldkatalog beispielsweise vorsehen, für das Nicht-Tragen von Masken ein Bußgeld in Höhe von 100 bis 150 Euro statt 20 Euro zu veranschlagen.

Aber zurück zur Statistik in der Region. Ebenfalls interessant: die Anzahl der durch die Behörden festgestellten Verstöße in Relation zu den Einwohnern. Hier liegen die drei kreisfreien Städte der Region klar vorn. Rein rechnerisch beging jeder 78. Wolfsburger, jeder 109. Salzgitteraner und jeder 129. Einwohner Braunschweigs einen geahndeten Verstoß gegen die Corona-Verordnung.

Wenig Bußgelder in Wolfenbüttel: Sind die Bürger hier braver oder agiert die Polizei anders?

Besonders rechtskonform verhalten sich offenbar die Einwohner der Landkreise Wolfenbüttel und Gifhorn: Nur jeder 496. beziehungsweise 580. Bürger der beiden Landkreise begeht hier statistisch eine Corona-Ordnungswidrigkeit. Das bestätigt den Eindruck von Thomas Reuter, Sprecher der Polizeiinspektion Gifhorn: „Die Disziplin lässt etwas nach, aber die Lage im Landkreis ist überschaubar.“ Außerdem: Was noch eine Rolle für diese Zahlen spielen könnte, ist, wie viel Fläche der einzelne Mensch vor Ort hat. Rein rechnerisch hat ein Einwohner des Landkreises Gifhorns nämlich fast elfeinhalb Mal so viel Platz für sich wie jemand, der in Braunschweig lebt. Da fällt es natürlich leichter, Abstand zu halten.

Insgesamt gilt: „Ein Großteil der Bürgerinnen und Bürger hält sich an die bestehenden Regeln“, sagt Dirk Oppermann, Sprecher der Polizeiinspektion Braunschweig. Allerdings stelle die Polizei Braunschweig schon häufiger Sorglosigkeit beim Umgang mit dem Coronavirus fest: Menschen wuselten eng an eng durch die Fußgängerzone. „Die Polizei kontrolliert anlassbezogen die Einhaltung der Regeln“, teilt Oppermann mit. Am vergangenen Wochenende hätten die Beamten beispielsweise verstärkt am Heidbergsee kontrolliert.