Kiel. Der Verdächtigte im Fall Maddie hat einen Antrag auf vorzeitige Haftentlassung am Landgericht Kiel gestellt. Doch noch fehlen Akten aus Braunschweig.

Im Fall Maddie will das Landgericht Kiel prüfen, ob es für einen erneuten Antrag auf vorzeitige Haftentlassung des Verdächtigen zuständig ist. Der 43-Jährige sitzt derzeit in Kiel eine Gefängnisstrafe von 21 Monaten wegen Drogenhandels ab, die das Amtsgericht Niebüll vor einigen Jahren verhängt hatte. Haft-Ende ist der 7. Januar 2021, zwei Drittel dieser Strafe waren am 7. Juni dieses Jahres verbüßt.

Notwendige Gerichtsunterlagen sind noch nicht aus Braunschweig in Kiel angekommen

Fall Maddie - Eine Chronik

Mai 2007: Kurz vor ihrem vierten Geburtstag verschwindet Maddie aus
einer Ferienanlage in Portugal. Madeleines Mutter fleht im Fernsehen mögliche Entführer an, das Kind freizulassen.

September 2007: Die Eltern gelten zu diesem Zeitpunkt als
Verdächtige. Medien berichten, die Polizei gehe von einem
Unglücksfall aus - die Eltern hätten die Leiche verschwinden lassen.

Juli 2008: Die portugiesische Polizei stellt die Ermittlungen ohne
Ergebnis ein. Für ein Verbrechen gebe es keine Beweise.

Januar 2009: Ein Team ehemaliger Fahnder von Scotland Yard hat sich
nach britischen Medienberichten im Auftrag der Eltern auf die Suche
nach Madeleine gemacht. Ein Geschäftsmann finanziere die Aktion.

Mai 2009: Die Eltern flehen mögliche Entführer erneut an, ihre Tochter freizulassen. Sie nutzen dazu ein Gespräch mit US-Talkmasterin Oprah Winfrey, das Millionen Zuschauer sehen.

März 2011: Madeleines Eltern protestieren vergeblich gegen den
Verkauf eines Buches, das der portugiesische Ex-Chefermittler über den Fall geschrieben hat. Er vertritt die These, das Kind sei bereits im Hotel der Familie gestorben und nicht entführt worden.

Mai 2011: Die Mutter, Kate McCann, veröffentlicht ein Buch mit ihrer
Version der Geschichte. Die Ermittlungsakten würden erneut überprüft,
kündigt der damalige britische Premierminister David Cameron an.

April 2012: Laut britischer Polizei ist Maddie möglicherweise noch am
Leben. Es gebe Anhaltspunkte für Ermittlungslücken.

Oktober 2013: Die portugiesischen Behörden nehmen die Ermittlungen
wieder auf, da es neue Indizien gebe.

Juni 2014: Eine neue Suche nach Spuren des verschwundenen Mädchens in der Nähe der portugiesischen Ferienanlage bringt keine Hinweise.

April 2017: Die britische Polizei hat die Hoffnung auf eine Lösung
des Falls nicht aufgegeben. Vier Beamte seien weiter damit befasst, teilt Scotland Yard mit.

März 2018: Das britische Innenministerium bewilligt weiteres Geld für die Ermittlungen.

3. Juni 2020: Der Fall Maddie ist - wie schon früher - Thema in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY... ungelöst". Ein Deutscher stehe unter Mordverdacht, teilt das Bundeskriminalamt mit. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittle gegen einen mehrfach vorbestraften 43-Jährigen.

28. Juli 2020: Die Polizei durchsucht den ehemaligen Kleingarten des Tatverdächtigen in Hannover.

Wie ein Sprecher des Landgerichts Kiel am Dienstag auf Nachfrage mitteilte, hat der Anwalt des 43-Jährigen am 29. Juli den erneuten Antrag auf Haftverschonung gestellt. Das Landgericht Kiel habe das Landgericht Braunschweig um Übermittlung der Akten gebeten. Sie seien noch nicht eingetroffen.

Zuvor hatte der Rechtsanwalt des Verdächtigen einen Antrag beim Landgericht Braunschweig auf Haftverschonung zurückgezogen. Die Landgerichte Kiel und Braunschweig hatten sich für den ersten Antrag als nicht zuständig betrachtet. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied, das Landgericht Braunschweig sei zuständig.

Hält Kiel sich für zuständig, entscheidet Kiel – sonst geht der Antrag zurück nach Braunschweig

Der 43-Jährige erklärte aber über seinen Anwalt, das Vertrauen in die Braunschweiger Justiz verloren zu haben, nachdem das dortige Landgericht ihn seiner Auffassung nach zu Unrecht wegen Vergewaltigung einer 72-jährigen Amerikanerin verurteilt hatte.

Betrachtet das Landgericht Kiel sich für den erneuten Antrag auf Haftverschonung für zuständig, werde es in der Sache entscheiden, sagte der Gerichtssprecher. Falls nicht, werde es den Antrag nach Braunschweig weiterleiten. Dann könnte, sofern auch dort das Landgericht sich nicht zuständig sähe, erneut eine Klärung durch den BGH notwendig werden.

Die Prozessberichterstattung gegen den 43-Jährigen finden Sie hier:

Vergewaltigungsprozess – Gericht setzt Verfahren nicht aus

Überführt ein Haar Vergewaltiger?

Sieben Jahre Haft wegen brutaler Vergewaltigung in Portugal

Sollte der Antrag auf Haftverschonung erfolgreich sein, muss der Verdächtige dennoch nicht zwingend auf freien Fuß kommen - etwa falls dann ein Untersuchungshaftbefehl in dem Vergewaltigungsfall vorliegen sollte. Der Mann soll im Jahr 2005 - rund anderthalb Jahre vor dem Verschwinden der Britin Madeleine McCann - im portugiesischen Praia da Luz eine 72-Jährige vergewaltigt haben. Gegen das Braunschweiger Urteil vom Dezember 2019 hat der 43-Jährige Revision eingelegt, über die noch nicht entschieden ist.

Fall Maddie - Polizei durchsucht einen Kleingarten in Hannover

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