Hannover/Kiel. Der Verdächtige im Fall Maddie stellt erneut einen Antrag auf Haftentlassung. Derweil äußert sich sein Anwalt abschätzig über die Ermittlungen.

Der Verdächtige im Fall der verschwundenen Britin Madeleine McCann hat erneut einen Antrag auf vorzeitige Haftentlassung gestellt. Dafür sei nun das Landgericht Kiel zuständig und nicht mehr wie bei dem vorherigen, vor zwei Tagen zurückgezogenen Antrag das Landgericht Braunschweig, teilte der Rechtsanwalt des 43-Jährigen, Friedrich Fülscher, am Donnerstag der dpa mit. Der Verdächtige sitzt derzeit in Kiel eine Gefängnisstrafe wegen Drogenhandels ab. Das Haftende ist für den 7. Januar 2021 terminiert - zwei Drittel dieser Strafe waren am 7. Juni dieses Jahres verbüßt.

Der neue Antrag geht an die Justiz in Kiel, nicht mehr an die in Braunschweig

Fall Maddie - Eine Chronik

Mai 2007: Kurz vor ihrem vierten Geburtstag verschwindet Maddie aus
einer Ferienanlage in Portugal. Madeleines Mutter fleht im Fernsehen mögliche Entführer an, das Kind freizulassen.

September 2007: Die Eltern gelten zu diesem Zeitpunkt als
Verdächtige. Medien berichten, die Polizei gehe von einem
Unglücksfall aus - die Eltern hätten die Leiche verschwinden lassen.

Juli 2008: Die portugiesische Polizei stellt die Ermittlungen ohne
Ergebnis ein. Für ein Verbrechen gebe es keine Beweise.

Januar 2009: Ein Team ehemaliger Fahnder von Scotland Yard hat sich
nach britischen Medienberichten im Auftrag der Eltern auf die Suche
nach Madeleine gemacht. Ein Geschäftsmann finanziere die Aktion.

Mai 2009: Die Eltern flehen mögliche Entführer erneut an, ihre Tochter freizulassen. Sie nutzen dazu ein Gespräch mit US-Talkmasterin Oprah Winfrey, das Millionen Zuschauer sehen.

März 2011: Madeleines Eltern protestieren vergeblich gegen den
Verkauf eines Buches, das der portugiesische Ex-Chefermittler über den Fall geschrieben hat. Er vertritt die These, das Kind sei bereits im Hotel der Familie gestorben und nicht entführt worden.

Mai 2011: Die Mutter, Kate McCann, veröffentlicht ein Buch mit ihrer
Version der Geschichte. Die Ermittlungsakten würden erneut überprüft,
kündigt der damalige britische Premierminister David Cameron an.

April 2012: Laut britischer Polizei ist Maddie möglicherweise noch am
Leben. Es gebe Anhaltspunkte für Ermittlungslücken.

Oktober 2013: Die portugiesischen Behörden nehmen die Ermittlungen
wieder auf, da es neue Indizien gebe.

Juni 2014: Eine neue Suche nach Spuren des verschwundenen Mädchens in der Nähe der portugiesischen Ferienanlage bringt keine Hinweise.

April 2017: Die britische Polizei hat die Hoffnung auf eine Lösung
des Falls nicht aufgegeben. Vier Beamte seien weiter damit befasst, teilt Scotland Yard mit.

März 2018: Das britische Innenministerium bewilligt weiteres Geld für die Ermittlungen.

3. Juni 2020: Der Fall Maddie ist - wie schon früher - Thema in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY... ungelöst". Ein Deutscher stehe unter Mordverdacht, teilt das Bundeskriminalamt mit. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittle gegen einen mehrfach vorbestraften 43-Jährigen.

28. Juli 2020: Die Polizei durchsucht den ehemaligen Kleingarten des Tatverdächtigen in Hannover.

Der 43-Jährige hatte zuvor über seinen Anwalt erklärt, das Vertrauen in die Braunschweiger Justiz verloren zu haben, nachdem das dortige Landgericht ihn seiner Auffassung nach zu Unrecht wegen Vergewaltigung einer 72-jährigen Amerikanerin verurteilt hatte. Nachdem der Bundesgerichtshof aber das Landgericht Braunschweig in der Frage der Haftentlassung für zuständig erklärt hatte, hatte der Verdächtige seinen Antrag zurückgezogen. Wie der Rechtsanwalt erläuterte, sei bei dem erneuten Antrag nun das Landgericht am Sitz der Haftanstalt zuständig, in die der Mann einsitzt, das ist Kiel.

Die Prozessberichterstattung gegen den 43-Jährigen finden Sie hier:

Vergewaltigungsprozess – Gericht setzt Verfahren nicht aus

Überführt ein Haar Vergewaltiger?

Sieben Jahre Haft wegen brutaler Vergewaltigung in Portugal

Bei einer vorzeitigen Haftentlassung könnte der Verdächtige trotz der laufenden Ermittlungen gegen ihn im Fall Maddie auf freien Fuß kommen. Grundsätzlich steht im zwar noch die Verbüßung der Strafe in dem Vergewaltigungsfall bevor. Nach Überzeugung der Braunschweiger Richter vergewaltigte der Mann im Jahr 2005 - rund anderthalb Jahre vor Maddies Verschwinden - im portugiesischen Praia da Luz die 72-Jährige. Gegen das im Dezember 2019 gesprochene Urteil hatte der 43-Jährige aber Revision eingelegt.

Anwalt des Verdächtigen vermutet Staatsanwaltschaft auf der falschen Fährte

Derweil äußerte sich der Anwalt des Verdächtigen, Friedrich Sebastian Fülscher, gegenüber der HAZ zur

Durchsuchung eines Schrebergartens in Hannover

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. Er bezeichnete die Durchsuchung als „pure Verzweiflungstat der Staatsanwaltschaft.“ Ihm scheine es so, als fiele es den Ermittlern schwer, sich einzugestehen, auf das falsche Pferd gesetzt zu haben, so Fülscher weiter. Er mutmaßt, dass die Durchsuchung den Eindruck erwecken soll, dass die Ermittlungen weiterkämen.

Fall Maddie - Polizei durchsucht einen Kleingarten in Hannover

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