Wolfenbüttel.

In den Ausgaben vom 8., 9. und 10. Februar berichtete die Lokalredaktion Wolfenbüttel jeweils auf der ersten Lokalseite über Behauptungen der AfD-Stadtratsfraktion zu Fahrraddiebstählen am Wolfenbütteler Bahnhof. Dabei ging es am 8. Februar um die Frage, ob die Zahl der Diebstähle – wie von der AfD behauptet – tatsächlich gestiegen ist und ob die Stellplätze ausreichend beleuchtet sind. Am 9. und 10. Februar klärte die Redaktion die Entstehung eines Zeitungsfotos der Fahrradständer am Bahnhof auf. Die AfD hatte zu diesem Foto in einer Pressemitteilung falsche Angaben gemacht.

Leser Bruno Herrmann schreibt:

Am 9. Februar bezichtigte der Redakteur mit dicker Balkenüberschrift die AfD der Lüge und beklagte, dass sich die AfD nicht bei der Redaktion – also bei ihm – entschuldigt hätte. Am 10. Februar setzt er mit einem fast ganzseitigen Artikel, in dem er sich mehrfach selbst erwähnt, noch einmal nach. Ist dieser Mann denn von allen guten Geistern verlassen? Er nutzt „seine“ Zeitung, um seine persönlichen Aversionen gegen eine demokratisch gewählte Partei zu verbreiten. Damit verstößt er erneut gegen das journalistische Gebot der parteipolitischen Neutralität. Darüber hinaus ignoriert er die journalistische Sorgfaltspflicht, denn im Ausgangsartikel vom 8. Februar steht eben nicht unter seinem Foto, dass das Bild ohne Blitzlicht geschossen wurde.

Der kritisierte Redakteur Karl-Ernst Hueske nimmt Stellung:

Zunächst einmal: Ich führe in Wolfenbüttel keinen „Kleinkrieg“ gegen die AfD. Ich habe als Journalist Behauptungen der AfD überprüft und dabei festgestellt, dass es keine „dramatische Zunahme an Fahrraddiebstählen am Wolfenbütteler Bahnhof“ gab – anders, als es der AfD-Fraktionsvorsitzender Klaus-Dieter Heid behauptet hatte. Das Gegenteil ist sogar der Fall: Laut Polizei Wolfenbüttel gehen die Fahrraddiebstähle dort seit 2014 kontinuierlich zurück.

Zum Foto vom Fahrradständer am Bahnhof: Ich habe das Foto ohne Blitz um 20.10 Uhr gemacht und unter das Foto meinen Namen geschrieben. Da es nicht üblich ist, habe ich weder die verwendete Blende noch andere technische Details der Aufnahme erwähnt.

Die AfD behauptete in einer Presseerklärung jedoch, dass die Stadtverwaltung dieses Foto gemacht habe, wobei sie den Fahrradständer extra ausgeleuchtet habe, um den Antrag auf bessere Beleuchtung des Fahrradständers zu diskreditieren; dieses Foto der Stadtverwaltung hätten wir abgedruckt.

Das ist eine erfundene Falschbehauptung. Das Foto ist auf meinem Kamerachip sogar noch zu sehen. In einer einige Stunden später veröffentlichten Presseerklärung entschuldigte sich die AfD für diese falsche Behauptung bei der Stadtverwaltung, aber nicht bei mir. Ich warte bis heute auf eine schriftliche Entschuldigung der AfD für diese böswillige Unterstellung, die ich in der Wolfenbütteler Zeitung als „Lüge“ bezeichnet habe, da es eine bewusste Falschaussage der AfD ist.

Die Ombudsräte Joachim Hempel und David Mache schreiben:

Sortieren wir die Fakten. Die Wolfenbütteler AfD-Stadtratsfraktion fordert in einem Antrag, die Fahrradstellplätze am Bahnhof besser zu beleuchten. Jahr für Jahr würden mehr Räder geklaut. Die Redaktion konfrontiert Verwaltung und Polizei mit diesen Behauptungen, beide können die Behauptungen der AfD nicht nachvollziehen. Außerdem fotografiert Redakteur Karl-Ernst Hueske abends die Fahrradstellplätze, um die Situation vor Ort zu dokumentieren. Das Foto – es ist links mit den Schlagzeilen abgedruckt– wirkt keinesfalls dunkel. Als Folge der Berichterstattung mit dem Foto Hueskes vom 8. Februar verschickt die AfD eine Pressemitteilung. Darin unterstellt der Fraktionsvorsitzende Klaus-Dieter Heid, die Stadt habe das Bild gemacht – und bewusst manipuliert, um den Antrag der AfD lächerlich zu machen.

Es gehört zu den typischen Winkelzügen populistischer Politik, Sachzusammenhänge aufzulösen und Informationen isoliert oder in einem falschen Kontext zu verwenden, so dass diese die eigene Position untermauern. Klaus-Dieter Heid schrieb, die Stadt habe die Fahrradstellplätze am Bahnhof wohl taghell ausgeleuchtet und dann fotografiert. Verschwörungstheorie, ick hör’ dir trapsen ... Später räumt Heid ein, sich geirrt zu haben: Das Foto sei gar nicht von der Stadt. Die Lokalredaktion Wolfenbüttel berichtet an den beiden Folgetagen ausführlich über diese falsche Tatsachenbehauptung der AfD und fasst Reaktionen aus der Kommunalpolitik zusammen.

Die Berichterstattung ist in Gänze sauber, ein Verstoß gegen journalistische Sorgfaltspflichten nicht zu erkennen. Die Kritik des Lesers Bruno Herrmann, im Bildtext vom 8. Februar habe gar nicht gestanden, dass das Foto ohne Blitz entstanden sei, ist spitzfindig. Viel wichtiger ist doch die Information, dass Hueske das Foto nach Einbruch der Dunkelheit um 20.10 Uhr gemacht hat.

Allerdings stellt sich die Frage der Gewichtung: Taugt diese Posse, um an drei Tagen die erste Lokalseite aufzumachen? Die Redaktion sollte nicht über jedes Stöckchen zu springen, das ihr die AfD hinhält.