Braunschweig. Ein Leser beschwert sich über die Überschrift des Leitartikels „Pfui Teufel, Kirche“. Eine Zuspitzung - urteilt der Ombudsrat, aber eine zumutbare.

Leser Hans E. Müller aus Braunschweig schreibt:

Der Leitartikel „Pfui Teufel, Kirche!“ vom 3. Dezember mag vielleicht manche Ressentiments von atheistischen und/oder kirchenfernen Lesern bedienen, aber davon abgesehen ist er unerträglich und widerlich.

Seine Titelzeile ist in dieser pauschalierenden Form rundweg falsch. Denn es gibt bekanntlich mehrere Kirchen, und der Redakteur sollte sein Missfallen über die katholische Kirche seinen vielen tausend Lesern korrekt mitteilen. Selbst in der eingeschränkten Form ist der Tatbestand der Beleidigung nach § 194 des Strafgesetzbuches eindeutig erfüllt, denn beleidigt werden können auch Personengruppen, „die eine gesellschaftliche Funktion erfüllen und einen einheitlichen Willen bilden können“.

Auf die Ausdrücke treffen sogar die Tatbestandsmerkmale der Volksverhetzung nach § 130 des Strafgesetzbuches zu.

Der Autor des Leitartikels,

David Mache, nimmt zur Kritik des Lesers Stellung:

Die Überschrift „Pfui Teufel, Kirche!“ zu meinem Leitartikel über einen Missbrauchsfall im Bistum Hildesheim sollte weder Mitglieder einer Kirche diskreditieren, noch die religiösen Gefühle von Lesern verletzen. Sie ist zugespitzt, in der Überschriftenkonferenz hat die Redaktion über diese polarisierende Zeile diskutiert. Dort kamen wir zu dem Schluss, dass die Überschrift von der Argumentation gedeckt ist. Außerdem handelt es sich um einen Leitartikel – einen als solchen kenntlich gemachten Meinungsbeitrag, der nicht mit einer um größtmögliche Objektivität bemühten nachrichtlichen Berichterstattung vergleichbar ist.

Als Katholik liegt mir am Herzen, dass meine Kirche bei Verdachtsfällen sexuellen Missbrauchs endlich größtmögliche Transparenz herstellt und proaktiv mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenarbeitet. Nach allem, was wir über den in einer ARD-Dokumentation geschilderten Missbrauchsfall im Bistum Hildesheim wissen, ist genau das nicht geschehen. Bischof Norbert Trelle hat inzwischen eingeräumt, der Fall sei vom Bistum zunächst falsch eingeschätzt worden.

Ombudsrat Joachim Hempel schreibt:

Die Überschrift spitzt zu und benutzt bewusst kirchliche Vokabeln; der Leitartikler David Mache hat die Freiheit dazu, weil er mit Herz und Verstand die Kirche an ihre Verantwortung im Umgang mit Wahrheit mahnt. Gerade eine – auch – moralische Autorität wie die Kirche muss sich hieran orientieren und messen lassen. David Mache steht mit vollem Namen und voller Überzeugung dafür gerade.

Ombudsrat Thomas Roth ergänzt:

Der Pressekodex erwähnt explizit die Rücksicht auf religiöse Überzeugungen: „Die Presse verzichtet darauf, religiöse, weltanschauliche oder sittliche Überzeugungen zu schmähen.“ Der Leitartikel ist allerdings weit entfernt, pauschal zu schmähen. David Mache geht mit der katholischen Kirche ins Gericht, sagt aber, dass das Vorgehen rechtlich korrekt war. Die Überschrift ist scharf, klagt aber keineswegs alle Katholiken an. Dass Redakteure gerade bei Meinungsstücken zu religiösen Themen sensibel sein müssen, ist richtig – allerdings können und sollen sie es auch nicht jedem Recht machen. Beides trifft auf den Leitartikel zu.