„Partei ergreifen scheint das Motto der Stunde“

Es sind politische Zeiten. An der Bundestagswahl 2021 nehmen 47 Parteien teil. Insbesondere junge Menschen scheinen sich politisch engagieren zu wollen, und das ist zu begrüßen, begreifen sie doch den demokratischen Prozess als etwas, bei dem man sich einbringen kann.

Es scheint jedoch so, dass einige bei den etablierten Parteien kein politisches Zuhause mehr finden, denn deren Politik vertritt doch eher einen gesamtgesellschaftlichen Kontext, der immer auch für Kompromiss und Konsens steht. Dadurch flacht aber das inhaltliche Profil oft ab oder gleicht sich gar untereinander stark an. Das gefällt nicht allen. Mehr denn je spalten sich Menschen von den etablierten Strömungen ab, gründen fleißig ihre eigenen Interessenvertretungen und versuchen, die Leute mit Dialog und Luftballons zu erreichen statt mit Protest auf der Straße. Diese Parteien richten ihre politischen Profile im Zeitalter des Individualismus ganz klar auf Einzelinteressen aus. Diese Gruppierungen wollen den etablierten Parteien anzeigen, dass man nicht grundsätzlich mit allem zufrieden sein darf und Umdenken und Veränderung willkommen sind. Doch können allzu viele enge Einzelmeinungen eine stabile Demokratie auch gefährden und die Bildung einer handlungsfähigen Regierung dadurch erschweren. Denn ein klares Einzelinteresse führt zu Kompromisslosigkeit, und so ist inzwischen bei vielen neuen Strömungen – egal welcher Couleur – eine zunehmende Intoleranz gegenüber anderen zu verzeichnen.

Partei ergreifen scheint das Motto der Stunde. Insbesondere eher fundamentalistische Ausrichtungen erscheinen dadurch extremistisch, da sie doch hoffen, die frustrierten Wähler mit ihren Botschaften wie etwa „rechter noch als rechts“, „linker noch als links“, „grüner noch als grün“ und „roter noch als rot“ einfangen zu können. Diese Botschaften jedoch sprechen die Sprache der Abgrenzung und signalisieren Verbote und Reglementierungen. Oft so weit, dass gesellschaftlicher Konsens und demokratischer Kompromiss kaum noch erkennbar sind. Auch unterscheiden sich solche Parteien dann in ihren überkommenen Ideologien offensichtlich um nur wenige Nuancen voneinander und sind sich dadurch auch noch Konkurrenz im eigenen Vorgärtchen.

Wieder andere vertreten einen so umfassenden Ansatz, dass sie kaum noch klar umgrenzte Ziele vorzubringen haben. Deren Visionen von Zukunft, Basis und Fortschritt haben kaum noch Inhalt und doch wollen sie der gesamten Gesellschaft ein Segen sein. Letztendlich vermitteln sie aber gerade dadurch meist nur den Eindruck, im Grunde noch beliebiger und banaler zu sein. Letztlich vertreten alle diese vielen kleinen Parteien eher die Meinung weniger, entziehen den etablierten Strömungen dadurch aber Wählerstimmen, die im Zweifel über Sieg oder Niederlage entscheiden. Und doch sind diese kleinen Parteien auch das Salz in der demokratischen Suppe und ihre Berechtigung, da sie Impulse für neue Konzepte und Ideen liefern. Besser aufgehoben wären sie aber als Teil eines Ganzen, anstatt als Sonstige zu verschwinden.

Die Autorin ist Bloggerin, freie Journalistin und Medienwissenschaftlerin.