„Nun läuft Osterloh doch noch über – zum Vorstand der Nutzfahrzeug-Tochter Traton. Das ist mit Blick auf die Signalwirkung mindestens schwierig.“
Ohne jeden Zweifel hat sich Bernd Osterloh als Chef des VW-Betriebsrats große Verdienste erworben. Er hat die Arbeitnehmervertretung nach der Affäre um Korruption und Prostitution aus der Vertrauenskrise geführt. Er hat für das VW-Gesetz gekämpft, sich nach dem Abgas-Betrug kritisch- konstruktiv an der Neuausrichtung des Unternehmens beteiligt. Und er hatte als Betriebsratschef großen Einfluss darauf, dass VW tarifpolitisch ein Wegbereiter bleibt, der Maßstäbe setzt – um nur einige wenige Stationen seines Schaffens und Wirkens zu nennen.
Ohne jeden Zweifel steht es Osterloh zu, frei über sein Leben und seinen beruflichen Werdegang zu entscheiden – zumindest rechtlich. Nicht so einfach ist es auf der moralisch-ethischen Ebene. In seiner Funktion als Betriebsratschef hat er eine herausragende Position auch als Vorbild, als ein Mensch, an dem sich andere orientieren.
„Dunkle Seite der Macht“
Osterloh hat stets den Vorstand als „dunkle Seite der Macht“ beschrieben, den Betriebsrat dagegen als die „helle Seite“. Osterloh hat stets betont, dass er auf der Seite der Arbeitnehmer steht und für ihre Belange kämpft. Als einer von ihnen, als Erster unter Gleichen. Deshalb wechselte nach offizieller Version 2018 auch nicht Osterloh in den VW-Personalvorstand, sondern Gunnar Kilian, der damalige Geschäftsführer und Generalsekretär des Betriebsrats.
Doch nun läuft Osterloh auf der Zielgeraden seiner Laufbahn doch noch über – zum Vorstand der Nutzfahrzeug-Tochter Traton. Das ist mit Blick auf die Signalwirkung dieser Entscheidung mindestens schwierig. Jemand, der wie der prominente Osterloh so offensiv und bewusst für einen fest definierten Wertekanon eintritt, sollte, nein darf gar nicht erst den Eindruck entstehen lassen, als würde er diese Werte unterlaufen.
Gift für den gesellschaftlichen Kitt
Das gilt gerade in dieser aufgeregten Zeit, in der Werte zu oft missachtet, wenn nicht gar verkauft und verraten werden. Das ist genau das Gift, das den gesellschaftlichen Kitt zerfrisst und einen brutalen Egoismus fördert.
Dafür haben die Mitarbeiter des Autobauers ein feines Gespür. So erreichte unsere Redaktion noch vor der offiziellen Verkündung von Osterlohs Wechsel folgende zerknirscht-empörte Nachricht eines VW-Werkers: „Er hebt Kilian in den Vorstand, und als Dank hebt Kilian Osterloh in den Vorstand. Und so wird am Ende alles gut, damit Osterloh nicht mit ein paar Mücken in Rente geht, sondern mit Top-Management-Prämie. Bei VW wird eben an jeden gedacht.“ Ganz sicher dürfte sein, dass unser Leser nicht der einzige ist, der das genau so empfindet. So bleibt nach Osterlohs Zeit in Wolfsburg das berühmte „Geschmäckle“, zu dem es nicht hätten kommen dürfen.
Cavallo: Aufgeräumt, blitz-gescheit, selbstbewusst
Absehbar ist, dass sich der Ton im VW-Betriebsrat ändern wird. Osterlohs Nachfolgerin Daniela Cavallo ist eine Frau, die einen aufgeräumten, blitz-gescheiten und selbstbewussten Eindruck macht. Anders als Osterloh gilt sie nicht als impulsiv, sondern als überlegt und im Tonfall zurückhaltender. Gelingt es ihr, diese Eigenschaften mit Durchsetzungskraft zu kombinieren, dürfte das für VW nur von Vorteil sein. Der berühmt-berüchtigte, von Auseinandersetzungen verursachte „VW-Showeffekte“ würde zwar kleiner, das Unternehmen dagegen an Seriosität gewinnen. Wenn es Cavallo dann noch vermeidet, oben beschriebene rote Linie zu übertreten, dann kann sie als erste Betriebsratsvorsitzende des deutschen Vorzeigekonzerns Geschichte schreiben.