Es existiert in den USA eben doch noch richterliche Unabhängigkeit.

Heute wird die Versammlung der Wahlleute aus den 50 US-Bundesstaaten den Sieg des Demokraten Joe Biden formell besiegeln. Noch-Präsident Donald Trump kann bis zum Tag der Amtsübergabe im Januar noch so viel Zeter und Mordio zu nächtlicher Stunde auf Twitter schreien – sein politisches Schicksal ist besiegelt, zumal der oberste Gerichtshof am Freitag wie erwartet den Justizministern aus Trump freundlich gesonnenen Bundesstaaten die kalte Schulter gezeigt und eine Klage gegen den Wahlausgang abgewiesen hatte. Daraus ergeben sich gleich mehrere Lehren für Trump, aber auch die Vereinigten Staaten. Zum einen konnte sich der Präsident, der sieben Millionen Stimmen weniger als Biden erhielt, nicht den Weg zum Sieg durch willfährige konservative Richter am Supreme Court erschleichen. Der Wutanfall Trumps vom Wochenende richtete sich deshalb auch gegen jene Richter, die angeblich „keine Courage“ gezeigt hätten. Doch das Gegenteil ist der Fall. Es existiert in den USA eben doch noch richterliche Unabhängigkeit. Zum anderen ist das Land stärker als ein Präsident, der Fakten durch Verschwörungstheorien ersetzte und das Vertrauen vieler seiner Anhänger in die Demokratie unterminierte. Es gibt neben Donald Trump einen weiteren großen Verlierer: die Republikaner, die bei den Attacken ihres Idols auf die Integrität der Wahl viel zu lange an seiner Seite standen.