„In der Gesellschaft hat sich ein Riss aufgetan, der tiefer wird.“

Der französische Geschichtslehrer Samuel Paty zahlte mit dem Leben dafür, dass er Selbstverständliches tat. In seinem Unterricht versuchte er, den Schülerinnen und Schülern einen Grundpfeiler der französischen Republik nahezubringen.

Fast sechs Jahre nach dem Attentat auf die Redaktion der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ mit zwölf Toten erschüttert Frankreich ein neuer Angriff auf die Meinungsfreiheit.

Die sich rasant verbreitende Corona-Pandemie hatte zuletzt in Frankreich in den Hintergrund gedrängt, wie virulent der radikale Islamismus geblieben ist. Immer wieder hat Präsident Macron seine große Rede zu dem Thema verschoben. Erst vor zwei Wochen sagte er dem „islamistischen Separatismus“ den Kampf an, warb für ein „Erwachen der Republik“.

Dafür könnte es besonders in den französischen Großstädten zu spät sein. Dort ist längst eine Parallelgesellschaft entstanden. Seit Jahren weiten muslimische Fundamentalisten ihren Einfluss aus. Sie dominieren Stadtviertel, stellen die Sicherheitsbehörden vor immense Herausforderungen. Die ­Behörden verzeichnen etwa 23.000 Namen von potenziellen Gefährdern. Nach Angaben des ­Innenministeriums vereitelt die Polizei jeden Monat ein Attentat.

In der Gesellschaft hat sich ein Riss aufgetan, der tiefer wird. Laut einer Umfrage vom September ist ihr Glaube für 40 Prozent der befragten Muslime wichtiger als Meinungsfreiheit. Doch Franzosen, die sich für die Freiheitsrechte einsetzten, fühlten sich oft auf verlorenem Posten. Lehrer wie Paty aber dürfen nicht alleingelassen werden. Anders als im Kampf gegen das Coronavirus gibt es keine Hoffnung, dass gegen den Hass und den Fanatismus ein Impfstoff entwickelt wird. Er braucht Zeit. Und nicht nur Frankreich muss aufhören, die Augen vor den Problemen zu verschließen.