„Wir schreiben das Jahr 2020. Und Lehrer an staatlichen Schulen haben immer noch keinen dienstlichen Laptop?“

Am 16. März haben in Deutschland die ersten Schulen wegen der Corona-Pandemie ihre Tore geschlossen. Das ist exakt 192 Tage her. Seitdem gab es wieder Osterferien, Pfingstferien, lange Sommerferien, jetzt stehen die Herbstferien vor der Tür und der Winter wird kommen. Dann wird die Pandemie an Fahrt gewinnen. Schulen werden – wie auch bei den Grippewellen – zu Virenschleudern und die Kinder einem hohen Risiko ausgesetzt.

Es ist im Prinzip gut, dass sich Verantwortliche in Berlin zu einem Schulgipfel versammelt haben. Das Ergebnis aber ist enttäuschend. In den vergangenen Monaten scheint nicht viel passiert zu sein. Anders kann man die Beschlüsse dieser Konferenz nicht deuten.

Das Problem der Ansteckungsgefahr durch Aerosole ist bekannt. Jetzt gibt es ein Lüft- aber kein Luftreinigungskonzept. Und ob sich die maroden Rahmen mancher Schulen überhaupt weit genug öffnen lassen, wird man sehen. Bis Jahresende sollen jetzt Laptops für alle Lehrer beschafft werden. Wenn es gut läuft, liegen die Geräte unter dem Weihnachtsbaum. Wann sie konfiguriert, betriebsbereit und von allen auch verstanden werden, steht in den Sternen.

Wir schreiben das Jahr 2020. Und Lehrer an staatlichen Schulen haben immer noch keinen dienstlichen Laptop zur Verfügung?

Auch ohne Pandemie ist diese Feststellung ein Offenbarungseid. Wie viele Sonntagsreden zur Bedeutung moderner Bildung haben wir schon über uns ergehen lassen müssen? Es waren offenbar viele Worte um nichts. Nicht nur Eltern fragen sich: Mit was arbeiten unsere Lehrer bitte? Mit Matritzen? Babylonischen Schreibkeilen? Nichts gegen engagierte Lehrer, die sich mit privater Technik gegen digitale Ignoranz anstemmen. Aber man muss leider feststellen: Ausgerechnet die Institutionen, die den Nachwuchs von Europas führender Industrienation ausbilden, dämmern immer noch in der analogen Steinzeit.

Video-Konferenzen, Zoom-Sitzungen, digitale Workshops – all das, was im Arbeitsleben quasi über Nacht zur Verfügung stand und effektiv funktioniert gibt es an deutschen Schulen nicht. Es fehlt an Hardware. Es fehlt an Software. Es fehlt an Digitalkompetenz und an Digital-Lust bei vielen Lehrern. Und am schlimmsten: Es fehlt offenbar auch an politischem Willen, diese Versäumnisse wirklich schnell nachzuholen.

Gäbe es keine Pandemie – das Thema Laptops für Lehrer wäre wahrscheinlich nie auf die Agenda eines nationalen Schulgipfels gekommen. Wenigstens dafür ist das heimtückische Virus gut.

Ja, Schulpolitik ist Ländersache. Das kann gut sein, wenn Länder sich positiv von der Masse absetzen. Das kann aber auch schlecht sein. Nämlich dann, wenn notwendige Modernisierungsprozesse sechzehn Mal in unterschiedlichen Geschwindigkeiten parallel laufen und trotzdem nichts voran kommt.

Es ist für Föderalisten ja fast ein ketzerischer Gedanke: Aber was wäre eigentlich, wenn man einen kompetenten Tech-Konzern wie Telekom, Apple oder Microsoft bundesweit beauftragt hätte, die Schulen flott zu digitalisieren? Zu festen Terminen, mit einheitlichen Geräten, einheitlicher Lehrer-Schulung, kompatiblen Standards und einer konzertierten Massenbeschaffung, die niedrige Stückpreise bieten kann. Vielleicht wäre das Projekt heute noch nicht fertig - aber ganz sicher deutlich weiter.

Wenn wir in der Bildungspolitik so weitermachen, braucht es nicht einmal eine neue Pandemie, um ganze Generationen bei der abzuhängen. Es sei denn, man hat das nötige Kleingeld, um den Nachwuchs gleich auf besser ausgestattete Privatschulen zu schicken.

Bildungsgerechtigkeit? Die verkommt dann endgültig zur hohlen Phrase im Parteiprogramm.