„Das Kolonialdenkmal im Stadtpark und auch der Name des benachbarten Prinzenparks bieten also reichlich Diskussionsfläche für die Löwenstadt.“

„Wer die Wahrheit sucht, darf nicht erschrecken, wenn er sie findet...!“
Buddhistisches Sprichwort

Man kann eigentlich nur hoffen, dass die Eltern von Madelaine McCann die jüngsten Ermittlungen im Zusammenhang des hiesigen Tatverdächtigen der Braunschweiger Staatsanwaltschaft und des Bundeskriminalamts (BKA) nicht im Einzelnen verfolgen. Erst vor wenigen Wochen die Berichte, dass Ermittler einen Brunnen in Portugal durchsuchten, um Maddie möglicherweise endlich zu finden. Jetzt in dieser Woche die Grabungen in einer verwahrlosten Gartenlaube im nahen Hannover. Wieder auch mit dem Verdacht, dass dort in dem alten, lange nicht genutzten Kellergewölbe unter der verfallenen Gartenhütte möglicherweise die Überreste der kleinen Maddie liegen könnten. Einer der bekanntesten Kriminalfälle überhaupt kommt immer näher an uns heran. Eine gruselige Vorstellung.

Bisher deutet allerdings nichts darauf hin, dass die Polizei etwas Bedeutendes gefunden hat. Oder ging und geht es in diesen Tagen „nur“ darum, überhaupt irgendwelche belastbaren Beweise gegen den Ex-Braunschweiger Tatverdächtigen Christian B. zu finden? Für seinen Anwalt Friedrich Sebastian Fülscher ist die Sache klar: Die Ermittler suchen nach jedem sprichwörtlichen Strohhalm, um den Verdächtigen 43-Jährigen überführen zu können. Es sei „pure Verzweiflung“, weil sie nichts finden werden, sagt er. Wir werden sehen.

Was muss das für ein Martyrium für die britischen Eltern der vor 13 Jahren verschwundenen Maddie sein? Dreizehn Jahre zwischen Hoffen und Bangen. Niemand weiß genau, ob sie sich mit dem Tod ihrer Tochter bereits abgefunden haben. Ob sie akzeptiert haben, dass ihre Maddie, die damals während eines gemeinsamen Urlaubs in Portugal plötzlich verschwunden war, bereits seit längerem tot ist. Kriminalpsychologen sind sich in solchen Fällen einig: Angehörige, vor allem die leiblichen Eltern, können erst dann endgültig mit so einem Schicksalsschlag abschließen, wenn die Leiche oder die sterblichen Überreste gefunden und eindeutig identifiziert sind. Erst dann könne die Zeit alle Wunden heilen. Man kann mitfühlen, wie es den Eltern immer wieder gehen muss. Immer dann, wenn neue Berichte über diesen so bekannten Kriminalfall weltweit in den Medien erscheinen. Wenn, wie nun wieder, der Tatverdächtige Christian B., der zuletzt in Braunschweig und zuvor auch in Hannover gelebt hat, auch durch unsere Berichterstattung ins Rampenlicht rückt. Wir müssen darüber berichten. Doch es müssen immer wieder neue Nadelstiche sein, auch, weil sich die Braunschweiger Staatsanwaltschaft schon vor Wochen im Rahmen der Ermittlungen öffentlich festgelegt hatte, dass sie davon ausgehe, dass Maddie nicht mehr am Leben ist. Wahrscheinlich ist das so. Doch auch der Beweis dafür ist bisher eben noch nicht erbracht worden. Also bleibt es für die Braunschweiger Staatsanwaltschaft auch ein ermittlungstaktisches Rennen gegen die Zeit. Ohne Beweise wird sie Christian B. nicht des Mordes an der kleinen Maddie überführen können. Dann würde der Tatverdacht stark bröckeln.

Doch, wo ist die Leiche Maddies? Wird man sie je finden? Wird es für die Eltern endlich irgendwann den fehlenden, noch einmal zutiefst schmerzlichen, aber dann auch erlösenden Beweis geben? Auch in der nächsten Woche werden wohl weiterhin die niedersächsischen Städte Hannover und Braunschweig in diesem Kriminalfall im Fokus sein. Dass bisher nur die Gartenlaube in Hannover mit aufwendigen Grabungen untersucht wurde, ist auf den ersten Blick nicht verständlich. Denn auch in Braunschweig hatte Christian B. über einen längeren Zeitraum eine Parzelle mit Gartenhütte genutzt. Auch diese war längere Zeit sich selbst überlassen. Entweder, die Ermittler haben klare Indizien, warum sie bisher nur in Hannover in der Erde gruben, oder auch in Braunschweig rollen demnächst die Bagger und Spezialisten der Polizei mit Spürhunden an. Es bleibt also spannend.

Zeugt es vom richtigen Gespür über Geschichte im Einklang mit heutigen gesellschaftlichen Überzeugungen, wenn nach den „Black Lives Matter“-Unruhen in den USA und dem anschließenden Infragestellen diverser steinerner Denkmäler früherer Berühmtheiten das Thema Kolonialzeit nun auch in Braunschweig auf die öffentliche Tagesordnung kommt? Die kritische Auseinandersetzung darüber ist allemal sogar geboten! Die antirassistischen Transparente und Papptafeln am Braunschweiger Kolonialdenkmal im Stadtpark zeigten deutlich: Die weltweit aufgeflammte Debatte über angemessenes Gedenken an die Zeit des Kolonialismus ist auch in Braunschweig angekommen. Die Idee, Künstler aus den Ländern der Ex-Kolonien an der Gestaltung des Denkmals zu beteiligen, zeugt in der Tat von einem kreativen Ansatz: Geschichte nicht leugnen – oder mit Gewalt die Denkmäler einfach zu Fall bringen –, sondern sich aktiv mit ihr öffentlich auseinandersetzen. Kunst kann das.

Namensgeber für den benachbarten Prinzenpark war Herzog Albrecht von Preußen. Er war nicht nur Regent des Herzogtums Braunschweig, sondern auch Präsident der Deutschen Kolonialgesellschaft. Und, so betont es die Stadt-Homepage, er müsse damals als „einer der einflussreichsten deutschen Kolonialpolitiker betrachtet werden“. Das Kolonialdenkmal im Stadtpark und auch der Name des benachbarten Prinzenparks bieten also reichlich Diskussionsfläche für die Löwenstadt.

Denn es gibt bereits Stimmen, die fragen, ob der Park am Ende der Jasperallee weiterhin „Prinz-Albrecht-Park“ heißen dürfe? Kulturdezernentin Anja Hesse nahm zu dem Thema diese Woche grundsätzlich Stellung: „Auf der einen Seite wollen wir das Denkmal, so wie es ist, erhalten. Andererseits muss es erläutert, hinterfragt und ergänzt werden.“ Doch, ob das allgemeine Akzeptanz findet? Oder will man, dass das Denkmal fällt und der bei den Braunschweigern so beliebte Prinzenpark gar umbenannt werden soll? Auch dieses Thema bleibt spannend.