„Wenn sich alle Aufmerksamkeit auf die akute Bedrohung konzentriert, gerät die latente Bedrohung aus dem Blick.“

Die Papiertüten sind verschwunden. Gerade erst hatten sie sich durchgesetzt in vielen Obst- und Gemüseabteilungen im Supermarkt, wo vorher silbrig-weiße Plastiktütchen bereitstanden. Und jetzt ist das Plastik wieder da, wegen Corona.

Nicht nur beim Einkaufen sticht die Angst vor Infektion das Bemühen, nachhaltig zu handeln. Wer lieber zu Hause bleibt, aber nicht auf Essen aus dem Lieblingsrestaurant verzichten möchte, bei dem stapeln sich die Einwegbehälter, wer zur Risikogruppe gehört, bestellt lieber online, als in die wieder geöffneten Geschäfte zu gehen. Die Deutsche Bahn kann sich wegen weniger Fahrgästen zwar mit Pünktlichkeitsrekorden schmücken, kommt aber leider nicht in die schwarzen Zahlen, weil die Leute nun im Zweifel das Auto nehmen. Am Ende entscheidet das Infektionsrisiko. Wie das Kaninchen auf die Schlange schaut die Gesellschaft auf Corona: War es das jetzt? Kommt da noch was? Ist da nicht eben die Kurve der Neuinfektionen kurz nach oben gezuckt?

Die Wachsamkeit ist richtig, die individuelle Vorsicht auch. Doch wenn sich alle Aufmerksamkeit auf die akute Bedrohung konzentriert, gerät die latente Bedrohung aus dem Blick. Die Klimakatastrophe lässt sich aber nicht pausieren. Wenn jetzt also sehr, sehr viel Geld in die Hand genommen wird, um die europäische Wirtschaft wiederzubeleben, dann darf das Ergebnis nicht einfach eine Rückkehr zum Zustand prä Corona sein.

Das Virus hat gezeigt, dass effektive Krisenbekämpfung beides braucht: Viele Menschen, die individuelle Entscheidungen treffen, und entschlossenes politsches Handeln. Und das alles auf der Basis von Wissenschaft. Es gibt keinen Grund, anzunehmen, dass dieses Zusammenspiel nicht auch beim Kampf gegen die Klimakatastrophe funktionieren kann – vorausgesetzt, man versucht es.