„Christos Kunst war gigantisch und bescheiden: Der schöpferische Mensch darf seine Umwelt gestalten, aber nicht zerstören.“

Der am Sonntag im Alter von 84 Jahren gestorbene Christo war in vieler Hinsicht ein idealer Künstler. Sein Konzept, bedeutende Bauwerke und landschaftliche Monumente zu verhüllen oder mit gezielten Eingriffen zu überformen, war originell und einzigartig. Indem er sie verschwinden ließ, hob er ihre Bedeutung hervor. Die Paradoxie ist genial.

Zugleich entwickelte Christo den selbstbewussten Leitgedanken der Moderne weiter, dass der Künstler nichts abbilden oder kunsthandwerklich erschaffen muss, um schöpferisch zu sein. Es reicht, Vorhandenes neu zu deuten oder subtil zu verändern.

Sein Konzept ist zutiefst humanistisch auch in dem Sinn, dass der Mensch die Freiheit hat, seine Umwelt zu gestalten. Christos Interventionen hatten meist einen hohen ästhetischen Eigenwert. Farbige Stoffe gaben Gebäuden und Landschaften ein neues Gesicht auf Zeit, und auch das war schön. Aber eben auch vergänglich.

In diesem Punkt knüpfte Christo zugleich an ein uraltes religiös-philosophisches Motiv an – Memento mori, nichts ist von Dauer –, aber auch an einen sehr zeitgemäßen Gedanken: Der Mensch darf seine Ideen verwirklichen, aber dabei nichts Bewahrenswertes zerstören.

Christos Materialien waren weitgehend recycelbar, und er hinterließ kaum Spuren. Er machte sehr demokratisch Kunst für die Massen, ohne flach zu sein. Und er ließ sich zeitlebens nie vor den Karren eines Gönners spannen. Seine Kunst war zugleich gigantisch, bescheiden, für jedermann und frei.