„Sollte die deutsche Industrie bloß noch für Öko-Musterknaben arbeiten, würde nur unser CO2-Ausstoß sinken.“

Siemens erleidet nach allgemeiner Auffassung gerade einen „massiven Imageschaden“. Das, so wäre anzüglich zu kommentieren, muss man mit Bahn-Signalanlagen erstmal hinkriegen. „Fridays-for-future“ hat den deutschen Technologiekonzern als Parade-Sünder ausgeguckt, weil er durch einen kleinen Auftrag zur Bahnlinie beiträgt, mit deren Hilfe Kohle aus der riesigen australischen Carmichael-Mine transportiert werden soll.

Der Bergwerksneubau passt zur Klimadebatte wie Gummistiefel zum Opernball.Sind der Abbau von 60 Millionen Tonnen Kohle pro Jahr und ihr Transport quer durch das ökologisch sensible Great Barrier Reef klug? Demos gegen die Genehmigungsbehörde oder die indische Adani Group wären erklärlich. Aber Siemens?

Siemens kann die Mine nicht verhindern, selbst Vertragsbruch würde den Bau nur verzögern.Die jugendlichen Klimaschützer dürften sich Siemens aus dem selben Grund herausgepickt haben, aus dem Greenpeace lange vor dem Dieselskandal VW attackierte: Traditionsreiche Unternehmen und renommierte Manager geben mehr her und sind leichter zu treffen.

Siemens-Chef Joe Kaeser wollte den Schaden begrenzen, traf sich mit Luisa Neubauer, die so etwas wie Gretas Stellvertreterin auf deutscher Erde ist. Er gab sich nachdenklich, bot ihr sogar einen Sitz im Aufsichtsrat an. Am Ende aber bleibt alles beim Alten.

Kaeser hätte von vornherein klarer auftreten sollen. Eine Wende war nicht zu erwarten, eine Wende wäre das falsche Signal gewesen. Sollte die deutsche Industrie bloß noch für Öko-Musterknaben arbeiten, würde nur Deutschlands CO2-Ausstoß sinken. Das aber radikal. Denn dann gingen in Schlüsselbranchen die Lichter aus. Die Technik käme woanders her, ohne jeden Gewinn fürs Weltklima.

Rigorismus ist ein Vorrecht der Jungen, die Übernahme von Verantwortung in komplexen Zusammenhängen die Pflicht der Älteren.