„Es müssen im Theater wieder stärker die Themen und Stoffe das Event werden.“

Hoffnung, aber keine Entwarnung. Die 200.000-Zuschauer-Marke ist wieder übersprungen, aber Braunschweig bleibt ein hartes Pflaster für Theatermacher. Was nicht im Zelt oder unter freiem Himmel stattfindet oder mit Popmusik unterlegt ist, hat es schwer.

Dank „Carmen“ open air, Jazzkantines „Hyper“-Hype im sommerlichen Großen Haus und auch viel auswärtigem Engagement des Staatsorchesters kann Dagmar Schlingmann in ihrer zweiten Spielzeit einen Aufwärtstrend präsentieren. Die genannten Formen sind alle pralles Theater, das unbedingt ins Portfolio des Staatstheaters gehört, und finden auf höchstem Niveau statt. Aber es gäbe neben diesen Events noch so viel anderes auf ebensolchem Niveau, das mehr Beachtung verdient hätte. Die Oper hat sich mit Puccini und Wagner konsolidiert, aber alle politisch engagierten Menschen der Stadt müssten doch der packend inszenierten KZ-Überlebenden-Oper „Die Passagierin“ die Ehre gegeben haben. Und was gibt es nicht in den feinen Psychorealismen von Hauptmanns Drama „Einsame Menschen“ und den poetisch-schrägen Tanzanalysen des „Struwwelpeters“ zu entdecken für Selbst- und Welterkenntnis.

Es müssen wieder stärker die Themen und Stoffe das Event werden, ja das Theater selbst als live gespielte Originalschau das Ereignis sein. Dazu muss das Theater Geschichten und ihre glaubhafte Verkörperung noch stärker ins Zentrum stellen. Aber auch die Bürger sollten, dem Trend der angesagten Bands und Comedians trotzend, den menschlichen Nuancen des gespielten Zusammenlebens eine Chance geben. Theater ist auch Gesellschaftsbildung.