Die Antwort auf menschengemachte Klimaveränderungen muss tiefer gehen als ein Plastiktüten-Verbot.

Wenn Unternehmer nicht mehr an den Markt glauben, wären sie keine Unternehmer, sondern Funktionäre. Wer aber nur an den Markt glaubt, ist abergläubisch. (Hans Küng)

Nichts erschüttert das Klischee stärker als die Konfrontation mit der Realität. Der Mittelstand habe die Digitalisierung verschlafen – die Ökonomie 4.0 sei an der deutschen Wirtschaft überhaupt weitgehend spurlos vorbeigegangen. Unternehmer würden immer häufiger die langfristige Entwicklung ihrer Betriebe aus dem Auge verlieren. Und für die Integration von Menschen mit Handicap oder von Zuwanderern habe der deutsche Unternehmer im Grunde keinen Sinn. Soweit drei viel gehörte und leicht geglaubte Pauschalurteile.

Wie immer haben auch diese groben Vereinfachungen einen wahren Kern. Natürlich tun sich viele Unternehmen schwer, in die neue Technologiewelt einzusteigen. Digitalisierung will verstanden und finanziert sein. Die hohe Wahrscheinlichkeit, dass sich die Mühe sehr schnell bezahlt machen wird, senkt ja nicht automatisch die Zugangsschwelle. Natürlich zwingt der extreme Wettbewerbsdruck die Betriebe in vielen Branchen zu sehr schneller Reaktion, was sich nicht ohne Weiteres auf langfristige Strategien reimen will. Und selbstverständlich kann und muss man die statistisch belegte Integrationsschwäche beklagen. Was allerdings besonders sonor vom Turme herab gelingt, wenn man sich nie mit den praktischen Schwierigkeiten befassen musste.

Und dann trifft man diese Woche im BZV Medienhaus auf die Finalisten des Unternehmerpreises 38, den unser Verlag, Braunschweiger Privatbank und der Verband der Familienunternehmer gemeinsam ausrichten. Bilanz: Alle vier nominierten Unternehmer sind Gift fürs Klischee. Christian Auerswald zum Beispiel, dessen Unternehmen in Cremlingen, Hannover und Berlin Telefonanlagen mit Smartphone-Feeling entwickelt und baut. Er widerlegt gleich zwei Vorurteile. Telefon made in Germany ginge nicht, und Unternehmensnachfolge gelinge in Familienunternehmen auch ganz selten. Oder Hermann Butting, der in seinem Knesebecker Unternehmen hoch spezialisierte Rohrlösungen herstellt, es aber auch schafft, sich im Markt der Standardprodukte gegen Billiganbieter durchzusetzen. Er hält es dabei für selbstverständlich, dass die Butting-Akademie Träger der Gifhorner Integrationswerkstatt wurde. Oder Axel Ditzinger, der mit seinem Braunschweiger Großhandelsunternehmen Antriebstechnik, Industrie- und Handwerksbedarf verkauft. Die Chance der Digitalisierung ergriff er schon vor einem Jahrzehnt und kann seinen Kunden heute Bestellwege anbieten, die sich komfortabel in die eigenen Systeme und Prozesse einfügen. Oder Wilhelm Schmidt, der sein Wolfenbütteler Reiseunternehmen immer wieder neu erfindet und ausbaut. Wie er präsentierten sich alle Finalisten als Unternehmer mit Sinn für Verantwortung und langfristige Geschäftsentwicklung, geprägt vom Zugehörigkeitsgefühl zu ihren Mitarbeitern und mit Offenheit für die Erfordernisse der Zukunft.

Klingt Ihnen das zu idyllisch? Vermissen Sie den Hinweis auf gravierende Missstände? Auch wenn man der kritischen Betrachtung verpflichtet ist und selbstverständlich weiß, dass sich hier ausgesprochene Vorzeigeunternehmer präsentierten: Man kann sich kaum der Bilanz entziehen, die Juror Rolf Schnellecke zog, Ehrenbürger von Wolfsburg und global Maßstäbe setzender Logistikunternehmer: Die Qualität der Unternehmen in der Region sei beeindruckend.

Und dann geht sogar etwas, das man unter anderen Umständen für seltsam oder irgendwie unpassend gehalten hätte: Der evangelische Landesbischof Ralf Meister aus Hannover hält eine (ausgesprochen kluge) Laudatio auf Preisträger Hermann Butting. Der Kirchenmann und der christlich geprägte Unternehmer, das kann man an diesem Abend lernen, haben nicht nur eine gemeinsame Basis, sondern auch ein sehr ähnliches Verständnis davon, was sich auf Erden bewegen lässt.

Weil es so schön war, kippt dann gleich auch noch ein anderes Vorurteil: Unternehmer kümmerten sich um den Profit, nicht um die Umwelt. Berater Ralf Utermöhlen, der sich seit fast 30 Jahren mit Umweltgutachten und Nachhaltigkeitsstrategien beschäftigt, hatte in seiner Impulsrede unserer Gesellschaft hart die Leviten gelesen. Die Halbherzigkeit unseres kollektiven Verhaltens beim Klimaschutz („Wir haben jetzt Flugscham, aber fliegen trotzdem“) habe keine Perspektive, glaubt er. Er hat übrigens gar nichts gegen die Fliegerei, aber sehr viel gegen Ressourcenverschwendung zulasten unserer Kinder und derer, deren Heimat im Zuge der Klimaveränderungen unter der Meeresoberfläche verschwinden werde.

Utermöhlen hat sich bereiterklärt, seine Thesen für unsere Leser aufzubereiten. Deshalb sei der Blick an dieser Stelle auf die Reaktion des Auditoriums gerichtet: Wo Zweifler an der Klugheit unserer Unternehmer mindestens ein missbilligendes Zischeln erwartet hätten, wurde in Wirklichkeit viel Zustimmung laut. Namentlich die Finalisten konnten eine ganze Reihe von konkreten Beiträgen zum Klimaschutz nennen, die sie entweder schon umgesetzt haben oder gerade vorbereiten. Das macht sie zum Vorbild für ihresgleichen, aber auch für jeden von uns. Und es könnte zur Herausforderung für die Politik werden. Das Verbot von Plastiktüten, verehrte Bundesumweltministerin Svenja Schulze, ist ja schön und gut. Aber eine verantwortbare Antwort auf die menschengemachten Klimaveränderungen muss doch ein gutes Stück tiefer gehen.

Utermöhlen glaubt, dass der Klimaschutz die Unternehmer braucht. Der Abend im Medienhaus lieferte dafür Argumente.