„Sollte sich herausstellen, dass Lübcke Opfer eines politischen Mordes war, nimmt sein Fall eine neue Dimension an.“

Unter den vielen Verschwörungstheorien wurde gleich nach dem Mord an Walter Lübcke der Verdacht geäußert, dass er Opfer eines ideologischen Hass-Mörders gewesen sein könnte. Ein ungeheurer Verdacht, der sich erhärtet hat. Der Generalbundesanwalt hätte die Aufklärung andernfalls bei den hessischen Behörden belassen. Wenn er Ermittlungen an sich zieht, hat es Signalcharakter: In Karlsruhe geht man von einer politischen Gewalttat aus. Wie so viele Menschen, die Flüchtlingen geholfen und Angela Merkels „Wir schaffen das“ beherzigt haben, wurde der Regierungspräsident in Kassel häufig und heftigst angefeindet, bis hin zu Morddrohungen.

Seit den Verbrechen der NSU-Terrorbande kann sich keine Sicherheitsbehörde leisten,das Gewaltpotenzial der Szene zu unterschätzen. Gerade der Generalbundesanwalt hat in den vergangenen Jahren keinen Zweifel aufkommen lassen, dass er sensibilisiert ist.

Dass die Szene nicht nur verbalradikal ist, zeigten bereits die Messerattacken auf die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker und auf ihren Kollegen aus dem sauerländischen Altena. Es gibt ein Muster, das zum Fall Lübcke passt.

Indes, ein Muster, ein Verdacht, eine Verhaftung, eine Spur, ja, die beste, differenzierteste Anklage ist kein Schuldspruch. Die Beweiswürdigung obliegt dem Gericht. Im Rechtsstaat muss jeder so lange als unschuldig angesehen werden, bis er von einem Gericht rechtskräftig verurteilt worden ist.

Dass Grünen, FDP und Linke umgehend eine Sondersitzung des Innenausschusses im Bundestag gefordert haben, ist ein Reflex, den sie besser unterdrückt hätten. Zu diesem frühen Stadium können die Ermittler wenig sagen. Man muss den Fall nicht extra politisieren. Sollte sich herausstellen, dass Lübcke Opfer eines politischen Mordes war , nimmt sein Fall eine neue Dimension an – aber erst dann.