„Das maschinelle Töten männlicher Küken ist Teil dieses Systems, in dem man Tiere nicht mehr als Lebewesen sieht.“

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irtschaftliche Interessen der Geflügelwirtschaft waren bislang ein „vernünftiger Grund“ dafür, dass jedes Jahr in Deutschland 45 Millionen männliche Küken in Brutbetrieben getötet werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat nun dem Tierschutz mehr Gewicht gegeben, das Tierwohl höhergestellt als die wirtschaftlichen Interessen der Brutbetriebe. Doch weil die tierschutzwidrige Praxis jahrzehntelang hingenommen wurde, bleibt das Kükentöten erlaubt, bis eine Technik zur Geschlechtsbestimmung zur Verfügung steht. Tierschutz stärken, Kükentöten erlauben – dieses Urteil ist nicht leicht zu verstehen.

Doch die Richter haben eine Grundlage dafür geschaffen, endlich eine Debatte über industrielle Landwirtschaft und über den Umgang mit Tieren zu führen. Fast 60 Milliarden Euro an Agrarsubventionen werden aus dem EU-Haushalt an die Länder verteilt, um eine Hochleistungslandwirtschaft zu päppeln. Allein in Deutschland, so rechnet die Albert-Schweitzer-Stiftung vor, leben und sterben 745 Millionen Tiere in Massentierhaltung. Man kürzt ihnen die Hörner, die Ringelschwänze und die Schnäbel, damit sie in diese Haltungsformen überhaupt hineinpassen. Man verabreicht ihnen Antibiotika, damit sie möglichst lange gesund und leistungsfähig bleiben. Denn Leistung hat ihnen der Mensch angezüchtet.

Das maschinelle Töten männlicher Küken ist Teil dieses Systems, in dem man Tiere nicht mehr als Lebewesen sieht, sondern als reine Produktionsware. Das millionenfache Töten von Küken zum Zwecke der Gewinnmaximierung muss so schnell wie möglich beendet werden. So haben es schon viele Regierungskoalitionen versprochen – und immer wieder aufgeschoben. Aus Angst, Stammwähler zu vergrätzen, wurde Tierleid in Kauf genommen. Das ist eklatantes Politikversagen.