Berlin. . Horst Seehofer wird wegen einer Äußerung zu komplizierten Gesetzen kritisiert. Doch tatsächlich hat er in letzter Sekunde gehandelt.

Er hat es getan. Gesagt, was Sache ist. Und die Wahrheit ist, dass die Gesetzgebung oft so angelegt ist, wie es Innenminister Horst Seehofer in einem Interview beschrieben hat: Man zerredet und verkompliziert eine Gesetzesinitiative, bis am Ende nur Experten mitkommen und mitreden können und alle anderen die Themenhoheit verloren haben.

Seehofers Erfahrung nach 15 Monaten in Berlin: Man muss Gesetze kompliziert machen. Dann fällt das nicht so auf.

Auch wenn er es im Nachhinein für Ironie erklärt hat – wahrheitswidrig war seine Darstellung nicht, nur ungeniert. Und unglücklich. Denn: Ein Großteil der Gesetze, die gestern zum Asyl- und Zuwanderungsrecht beschlossen wurden, sind in dieser Woche im Schweinsgalopp durch das Parlament gejagt worden.

Die Beteiligung des Bundestages, insbesondere der Sachverständigen, war eine Farce und für die Opposition eine Zumutung. Und nun kommt der Innenminister und erklärt, dass die Verschleierung gewollt war und Methode hat. Seehofer hat sich, der Koalition, der Sache und der Demokratie einen Bärendienst erwiesen.

Der Shitstorm, den er ausgelöst hat, lenkt vom Wesentlichen ab. Relevanz hat, dass der Bundestag zwei Entscheidungen getroffen hat, auf die man tatsächlich zweimal hinschauen sollte: In der Flüchtlingspolitik hat das Parlament den Druck erhöht, abgelehnte und ausreisepflichtige Asylbewerber loszuwerden.

Und mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz haben Union und SPD sogar eine historische Entscheidung getroffen. Da geht es nicht um die Menschen, die uns brauchen, also Flüchtlinge und politisch Verfolgte, sondern um die Menschen, die wir brauchen: Fachkräfte. Und die Botschaft sollte sein, dass Deutschland Einwanderung will und braucht.

Migrationspolitik: Auf die Willkommenskultur folgt das andere Extrem

Man muss Gesetze nach dem Buchstaben, aber auch nach ihrem Geiste beurteilen. Das Elend mit dem „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ ist, dass die Politik zwar ideenreicher denn je ist, wenn es darum geht, Menschen wieder loszuwerden. Aber man wünscht sich mindestens genauso viel Fantasie, wenn es darum geht, Migranten besser zu integrieren oder humanitäre Lösungen zu erleichtern. Selbst die vereinzelten Fälle von Kirchenasyl finden politisch keine Gnade.

Wir sind nach der Willkommenskultur ins andere Extrem verfallen. Insofern löst Seehofer die „Asylwende“ ein, von der er immerzu redet, die ihn antreibt. Er tat es womöglich zum letzten realistischen Zeitpunkt, weil es ein offenes Geheimnis ist, dass viele Koalitionäre am Fortbestand ihres Bündnisses zweifeln. Vielleicht wird man rückblickend einmal sagen, Seehofer habe seine Asylwende kurz vor Torschluss umgesetzt.

Ein abgelehnter Asylantrag muss in letzter Konsequenz umgesetzt werden, schon klar. Aber die Art und Weise ist nicht zweitrangig. Sowohl die Kürzungen der Sozialleistungen für geduldete Flüchtlinge als auch die Erleichterungen bei Hausdurchsuchungen von Asylbewerbern und die schärferen Vorschriften für die Abschiebehaft sind grenzwertig. Es ist keineswegs sicher, dass sie auch Bestand haben werden, wenn jemand beim Bundesverfassungsgericht klagt.

Gut gemeint, nicht unbedingt gut gemacht – das zweifelhafte Prädikat gilt auch für das Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Es wird nur dann ein Erfolg, wenn Regierung und Wirtschaft gezielt Arbeitskräfte anwerben und es Interessenten leichter machen, ein Visum zu bekommen. Davon kann keine Rede sein. Die Hoffnungen, die sich mit dem Gesetz verbinden, werden sich nicht erfüllen. Wenig spricht dafür, dass Fachkräfte im gewünschten Ausmaß nach Deutschland auswandern. Fazit: Seehofers Asylwende ist Fakt – das Fachkräfteeinwanderungsgesetz ist bestenfalls ein Versprechen.