Radieschen gegen den Klimawandel, alte Kartoffelsorten gegen den Brexit.

Er ist wieder da: der Garten. Abzulesen ist das in den Regalen der Buchhandlungen. Standen da in den Nullerjahren noch vor allem die Kochbücher, nehmen heute die Gartenbücher und -zeitschriften immer mehr Raum ein: Von klassischer Ratgeberliteratur über gefühlige Garten-Romantik bis hin zu Garten-Büchern, die gesellschaftliche Fragen aufgreifen. Und ihre Antworten heißen dann etwa „Urban Gardening“, Entschleunigung im eigenen Garten oder Selbstversorgung mit biologischem Gemüse.

Was hat das neue Interesse am Garten zu bedeuten?

Für viele Menschen gehört der Garten einfach dazu – vielleicht weil es schon bei den Eltern so war. Sie gehören vermutlich nicht zum Kern der neuen Garten-Bewegung. Ich vermute, dass der wachsende Markt der Garten-Sehnsucht sich vor allem aus dem starken Wunsch nach einer heilen Welt speist. Einer Welt, in der man, gegenüber dem oft unerfreulichen Weltgeschehen selbst etwas bewirken kann – und in der man am Ende sieht, was man geschafft hat. Das Ernten eines Radieschens gegen den Klimawandel, das Setzen alter Kartoffelsorten gegen den Brexit. Bunte Samentütchen und Urban Gardening gegen Trump.

Das klingt lächerlich und ist es auch ein bisschen. Aber selbst wenn wir den realen Problemen so nicht zu Leibe rücken – oft kommen leider nicht mal schöne Gärten dabei heraus – verständlich ist diese Sehnsucht allemal. Auch deshalb, weil sie menschliche Bedürfnisse aufzeigt, die heute offenbar zu kurz kommen: gestalten, sinnliche Erfahrungen sammeln, Zeit an der frischen Luft verbringen, die Hände schmutzig machen, die Freude des Erntens erleben.

Vielleicht kann die Gartenlust uns helfen, diese Bedürfnisse stärker wahrzunehmen. Dafür müssten wir, statt uns in Kartoffelnostalgie zu flüchten, die Tugenden eines guten Gärtners stets beherzigen – auch außerhalb des Gartens.