Es ist kompliziert, wie so oft im Leben. Gerade deshalb passt unsere Nationalhymne so gut zu uns.

Das hätt’s als Wahlkampfthema nun wirklich nicht gebraucht. In einer Zeit, in der es den Deutschen immer schwerer fällt, sich auf gemeinsame nationale Symbole zu einigen, schlägt Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow vor, Deutschland brauche eine neue Nationalhymne. Er sagt: Beim Singen könne er „das Bild der Naziaufmärsche von 1933 bis 1945“ nicht ausblenden.

Ramelow ist bestimmt nicht der Einzige, dem beim Deutschlandlied auch die NS-Zeit einfällt. Trotzdem hat sich „Einigkeit und Recht und Freiheit“, die dritte Strophe von Hoffmann von Fallerslebens Deutschlandlied, gesungen zur 1797 komponierten Melodie von Joseph Haydns Kaiserquartett, bewährt – über die letzten 70 Jahre. Auch darin enthalten: die bald 30 Jahre seit der Deutschen Einheit. Und zwar gerade wegen ihres historischen Erbes. Immer wieder wurde heftig über die deutsche Hymne debattiert. Nach dem zweiten Weltkrieg setzte sich Konrad Adenauer damit durch, dass bei offiziellen Anlässen die heutige Form gesungen wird. In der Weimarer Republik waren es noch alle drei Strophen. Die erste Strophe, „Deutschland, Deutschland über alles“ – Hoffman hatte das Lied 1841 während seiner Verbannung auf Helgoland gedichtet – erlitt spätestens während des Nationalsozialismus moralischen Totalschaden. Während des Dritten Reiches wurde zusätzlich dazu die SA-Marschhymne „Horst-Wessel-Lied“ gesungen. Auch Johannes R. Bechers DDR-Hymne „Auferstanden aus Ruinen“ ist in gewisser Weise mit dem Deutschlandlied verknüpft – sie folgt dem gleichen Versmaß. Zugegeben: Diese Verweise auf die deutsche Geschichte der letzten 222 Jahre sind viele. Sie sind in gewisser Weise ein staatsbürgerlicher Bildungsauftrag. Es ist kompliziert, wie so oft im Leben. Aber gerade deshalb passt unsere Nationalhymne so gut zu uns – nicht trotz, sondern wegen ihres Ballasts an deutscher Geschichte.