Was immer die Verwaltung in einer Stadt entwickelt, plant und letztlich per Ratsbeschluss mit Mehrheit entscheidet, es gibt vielfache Widerstände. Da helfen auch kaum Aktionen wie „Denk Deine Stadt“ oder umfangreiche Informationsveranstaltungen im Vorfeld. Da wird sich an jeden Baum geklammert und der Bau von Straßenbahnen verhindert, gegen einen öffentlichen Fußweg jahrelang durch sämtliche Instanzen geklagt, weil er am eigenen Grundstück vorbeiführt. Hunderte von Bürgern müssen Umwege in Kauf nehmen. Die interkommunale Planung eines Gewerbegebietes wird populistisch als Industriegebiet in den 60ern geschickt medial propagiert und letztlich verhindert. Naturschutz- und Umweltschutz wurde hierfür aus dem Protestbaukasten gewählt. In Wirklichkeit ging es vielen der Opponenten um den unverbauten Blick aus ihren flächenfressenden Besitztümern auf die überdüngte Ackerscholle. Die Interessen und Arbeitsplätze von Zehntausenden Bürgern spielten keine Rolle.

Zurück in die Stadt: Die Weiterentwicklung einer Stadt ist hoheitlich bei den Bezirks- und Stadträten und der Stadtverwaltung angesiedelt und demokratisch damit im Sinne einer repräsentativen parlamentarischen Demokratie legitimiert. Und hier droht die Abschaffung der Mehrheit durch die Übernahme der Macht durch „besorgte“ Bürger, die in Wirklichkeit Einzelinteressen vertreten. Zu diesen gesellen sich Wut- und Angstbürger oder sich an Bäume klammernde Populisten mit Kindern im Schlepptau, oft angeführt von 68ern, deren Protest-Gene eine unselige Allianz mit Altersstarrsinn eingegangen sind. Wohnhaft ist diese im Grunde demokratie-resistente Klientel vorzugsweise in gentrifizierten Stadtvierteln, die auch deswegen gegen jede Veränderung wettert, weil sie sich selbst schon in ihrer Realität eingemauert hat. Etwas eleganter drückte das der Schriftsteller Axel Hacke in seinem jüngst in Braunschweig gehaltenen Vortrag aus: „In großstädtisch geprägten Bildungsbürgermilieus in Deutschland wird die linksliberale Sicht auf die Welt und das Leben längst als die einzig wahre Form von Menschlichkeit gesehen. Menschen schaffen sich da eine seelische Wohlfühlzone, indem sie von ihren moralischen Hochsitzen aus Jagd auf alles machen, was das eigene Weltbild stört.“ Und die natürlich über organisatorische und mediale Fähigkeiten einer geschickten Vermarktung verfügen, während die unteren Bevölkerungsschichten aufgrund ihrer vielfachen Benachteiligungen denkbar schlechte Voraussetzungen zur Selbstorganisation mitbringen.

So hat die ego-gesteuerte, oft faktenignorierende Meinungsmache einer Minderheit mit den sozialen Interessen der Mehrheit der Bürger in einer Stadt oft nichts zu tun. Wo das hinführt, wenn man dem moralisierenden Bildungsbürgertum ungerechtfertigt die Meinungshoheit überlässt, kann man in Frankreich bei der Reaktion in Form der Gelbwesten studieren. Die Mehrheiten schlagen zurück.

Der weiteren Ausweitung der Minderheitenrechte und der damit verbundenen Einschränkung der Mehrheitsrechte ist Einhalt zu gebieten. Das gilt für die Stadtpolitik im Besonderen. Für den ehemaligen Stuttgarter Oberbürgermeister Manfred Rommel ist die Summe der Einzelinteressen hingegen nicht das Gemeinwohl, sondern das Chaos, bei dem nicht selten berechtigte Einzelinteressen zum Gemeinwohl erklärt werden. Die Verantwortlichen einer Stadtverwaltung werden zehn Jahre später gefragt „Was hast du für die Stadtgemeinschaft getan, wie hast du die Stadtgesellschaft entwickelt?“ und nicht, ob sie die Pläne für eine Stadtbahn begraben haben, weil ein Anlieger-Bürger mit Lärmschutzgutachten den bequemen und ökologischen Transport von Hunderttausenden behindert hat. Die demokratischen Stadtgesellschaften verdienen Oberbürgermeister, die mit Kreativität, Mut und Durchsetzungskraft ihre Städte gegen Einzelinteressen zum Wohle aller Bürger entwickeln.