Die Gewerkschaften sollten nicht versuchen, ihren Mitgliederschwund mit Boni zu kompensieren.

Es ist ein Widerspruch. Mit Tarifverträgen wollen Gewerkschaften erreichen, dass alle Beschäftigten gleich behandelt werden. Alle sollen zum Beispiel gleich viel verdienen. Doch nun fordert DGB-Chef Reiner Hoffmann einen Bonus für Gewerkschaftsmitglieder. Diese Kollegen sollten dank eines Gehaltsplus oder Extraurlaubs somit gleicher sein als andere. Auch wenn das rechtlich korrekt ist, dürfte er damit wohl selbst beim ein oder anderen Gewerkschaftsmitglied Kopfschütteln auslösen.

Dabei ist Hoffmanns Grundansinnen erstrebenswert: mehr Tarifbindung. Immer mehr Unternehmen stehlen sich aus dieser davon. Während vor gut 20 Jahren noch 70 Prozent aller westdeutschen Beschäftigten nach Branchen-Tarifverträgen entlohnt wurden, waren es 2017 nur noch weniger als die Hälfte, in Ostdeutschland sogar nur jeder Dritte. Und das, obwohl die Konjunktur hierzulande seit Jahren brummt.

Dass die Gewerkschafter mit ihrer Forderung offensichtlich auf mehr Mitglieder und damit mehr Durchsetzungskraft hoffen, ist nachvollziehbar. Allerdings sollten sie nicht versuchen, ihren Mitgliederschwund mit Boni zu kompensieren. Stattdessen müssten die Gewerkschaften durch ihre Arbeit mehr Beschäftigte davon überzeugen, dass das monatliche Prozent des Lohns gut investiertes Geld ist.

Immerhin scheinen die Arbeitnehmervertreter auf dem richtigen Weg: Mit ihren Forderungen zur Arbeitszeit haben sie jüngst den Nerv der Zeit getroffen.