„Die Ansteckung eines Kindes durch den HIV-positiven Vater lässt sich auch ohne Gentechnik verhindern.“

Das Editieren des Erbguts mit Gen-Scheren wie Crispr/Cas9 ist eine Technologie, die das Potenzial hat, die Welt fundamental zu verändern. Damit ist sie vergleichbar mit dem Internet oder dem Verbrennungsmotor. Krankheitsresistente Pflanzen, das Ende der Malaria, eine nahezu unbegrenzte Anzahl Transplantationsorgane, die keine Abstoßungsreaktionen hervorrufen, die Rettung bedrohter Arten, ja selbst die Rückkehr ausgestorbener Tiere werden als Anwendungsfälle diskutiert.

Was möglich sein könnte, offenbart die Behauptung eines chinesischen Wissenschaftlers, er habe in Embryonen das CCR5-Gen ausgeschaltet, und dieses Experiment habe nun zur Geburt von zwei Kindern geführt, die resistent gegen das HI-Virus seien. Auch wenn die Aussagen des Forschers He Jiankui mit viel Skepsis zu genießen sind – eine wissenschaftliche Publikation hat er dazu nicht vorgelegt – so sind sie schon jetzt fatal. Wissenschaftler überall auf der Welt, auch in China, zeigen sich entsetzt, darunter die Biochemikerin Jennifer Doudna, die die Gen-Schere zusammen mit der bis vor einigen Jahren in Braunschweig forschenden Emmanuelle Charpentier entwickelt hat.

Denn für Eingriffe, die an kommende Generationen weitergegeben werden, ist es noch viel zu früh. Die Gefahr, dass die Gen-Schere an der falschen Stelle schneidet oder unerwartete Mosaikformen auftreten, also Zellen mit unterschiedlich ausgeprägten Genen im selben Organismus, ist zu groß. Eine solcherart veränderte Pflanze kann nach der Genom-Analyse entsorgt werden. Bei einem Embryo verbietet sich das.

In Hongkong treffen sich heute Forscher aus aller Welt zum „Summit on Human Genome Editing“ – da ist He Jiankui höchste Aufmerksamkeit garantiert. Doch der von ihm behauptete Eingriff ist nicht nur riskant, er ist auch medizinisch unnötig und damit unethisch. Die Ansteckung eines Kindes durch den HIV-positiven Vater lässt sich auch ohne Gentechnik verhindern. Damit bringt He eine ganze Technologie in Verruf, die berechtigte Hoffnungen weckt, später einmal Erbkrankheiten wie Chorea Huntington oder Mukoviszidose zu heilen und damit Embryonen zu retten, die ansonsten wohl „verworfen“ würden.