Eine Erinnerungskultur zu entwickeln, die auch die Jugend erreicht, ist eine Aufgabe mit großer Aktualität.

Die Welt feiert das Ende des Ersten Weltkriegs vor hundert Jahren, und plötzlich ist die Erinnerung allgegenwärtig. Die an den Hass, an die Kriegsbegeisterung und an das sinnlose Abschlachten mit weltweit 15 Millionen Toten.

Für Franzosen ist der Umgang damit sicher schmerzhaft, aber doch einfacher als bei uns. Denn hier ist das Gedenken nie zu trennen von der Schuld, die Deutschland in zwei Weltkriegen auf sich geladen hat. Das macht es komplizierter – und dennoch fehlt Raum dafür. Es darf nicht sein, dass das Grauen des Krieges und die Erinnerung an die Toten nur bei besonderen Anlässen oder Jubiläen in das Bewusstsein dringen.

Eine Erinnerungskultur zu entwickeln, die auch die Jugend erreicht, ist eine gesellschaftliche Aufgabe mit großer Aktualität. Dabei sind prägende Erfahrungen wichtiger als Frontalunterricht. Der Gang über endlose Gräberfelder etwa, mit Namen von Gefallenen, die oft nicht einmal zwanzig Jahre alt waren. Solche Eindrücke führen zu den entscheidenden Fragen: Warum? Und: Wie können wir verhindern, dass sich Geschichte doch wiederholt?

Es ist ein großes Privileg der jüngeren Generationen, nur Frieden erlebt zu haben. Niemand sollte unnötig Ängste schüren, aber wahr ist leider auch: Die Welt ist wieder ein unsicherer Ort geworden – Stichworte sind Ukraine, Syrien, Korea.

In Europa sind zudem die nationalistischen Kräfte längst entfesselt. Sie konkurrieren brutal mit der Idee des vereinten, friedlichen Europas, die über Jahrzehnte so unangreifbar schien. Es ist längst nicht ausgemacht, dass Europa es schafft, diese Fliehkräfte zu bändigen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und die deutsche Bundeskanzlerin stemmen sich mit Kraft dagegen. Ihre Begegnung am Ort des Kriegsendes war ehrlich und eindrucksvoll. Es braucht solche Symbole. Aber sie allein reichen nicht aus.