“Horst Seehofer blieb nichts anderes übrig, als seinen Beamten einsteilig in den Ruhestand zu versetzen, damit er keinen weiteren Schaden anrichtet.“

Hans-Georg Maaßen ist Beamter. Staatsdiener, kein Politiker. Man vergisst das. Schließlich hat er im Sommer die große Koalition an den Rand eines Bruchs und das Land in eine Krise geführt. Wem hat er einen Dienst erwiesen? So viel ist klar: Nicht seinem Staat.

Als Verfassungsschutzpräsident hätte Hans-Georg Maaßen leise gehen können. Er aber ging unter Absingen schmutziger Lieder. So muss man seine Rede vor dem „Berner Club“ – einer Runde europäischer Geheimdienstchefs – verstehen.

Für das Nachtreten sollte es nicht nur beim Fußball die rote Karte geben. Es ist nicht der Abgang eines Staatsdieners, sondern eines Politikers. Vielleicht befindet er sich auch längst in einem Übergangsstadium: verloren in der Übersetzung vom Staatsdienst in die Parteipolitik. Lost in Translation.

Umgang mit Chemnitz war kollektiv hysterisch und unsouverän

Trennen wir mal zwischen Sach- und Stilfragen. Im Rückblick war der Umgang mit den Vorgängen in Chemnitz kollektiv hysterisch und unsouverän. Das gilt auch für die Reaktionen auf ein Maaßen-Interview. Insbesondere die SPD hätte seinen Fall damals tiefer hängen können. Man hat schon gespürt, dass das Vertrauen zum Innenminister fehlt. Im Normalfall hätte man es dem Dienstherrn überlassen, wie er mit dem Behördenchef umgeht.

Man kann der Meinung sein, dass das Video zu den Hetzjagden nicht authentisch genug ist. Diese Ansicht ist legitim und nicht exklusiv. Maaßen wundert sich über die Aufregung über seine „vier spärlichen Sätze“. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Er hat sich zu undifferenziert geäußert. Er hätte besser, ausführlicher und vor allem differenzierter erklären müssen.

Maaßen ist endgültig ins Vokabular der AfD abgerutscht

Entlarvend ist, dass er von sich sagt, er sei „als Kritiker einer idealistischen, naiven und linken Ausländer- und Sicherheitspolitik bekannt“ und dass er von meinen „politischen Gegnern“ redet. Und wenn er von der „neuen Qualität von Falschberichterstattung“ spricht, ist Maaßen endgültig ins Vokabular der AfD abgerutscht.

Das gilt auch für seine Legende: Letztlich führt er sein Scheitern auf ein linkes Meinungskartell zurück. Es ist die Legende von der verfolgten Unschuld.

Es ist verständlich, dass ein Mensch, der sich angegriffen fühlt, nicht die andere Wange hinhält. Man kann außerdem nachvollziehen, dass ein waidwunder Amtschef im Kreis seiner europäischen Kollegen aus seinem Herzen keine Mördergrube machen wollte.

Als er die Rede behördenintern verteilt, ist es eine Frage der Zeit, bis Ministerium, Parlament und Medien davon erfahren. Er muss es gewusst haben. Alles andere wäre naiv.

Maaßen stößt den Innenminister vor den Kopf

Sein intellektueller Stolz zwingt ihn, immer wieder auf seine Ablösung zurückzukommen. Das ist die erste Überraschung: der Mangel an Selbstkontrolle, an Demut, dazu der rechthaberische Zug.

Richtig erschreckend ist, dass er radikallinke Kräfte bei der SPD am Werke sieht. Wie weit rechts muss man stehen, um zu so einer Einschätzung zu kommen? Ist es nur eine berufsbedingte Deformation eines Beamten oder sieht eine ganze Behörde links Gespenster? Die größten Fehleinschätzungen des Verfassungsschutzes fielen aber im rechten Spektrum (NSU) an.

Im Sommer hat Maaßen mit seinen Einlassungen zu Chemnitz direkt den Regierungssprecher und mittelbar dessen Chefin, die Kanzlerin, düpiert; die wurde in die Nähe von Falsch-Nachrichten gerückt.

Jetzt stößt er auch noch den Innenminister vor den Kopf, der ihn wochenlang in Schutz genommen hatte. Disziplinarrechtlich lässt sich nicht viel machen. Horst Seehofer blieb nichts anderes übrig, als seinen Beamten einsteilig in den Ruhestand zu versetzen, damit er keinen weiteren Schaden anrichtet.